In Italien ist eine Brücke auf einer Staatsstrasse zwischen Ligurien und der Toskana eingestürzt. Zwei kleine Lieferwagen befanden sich während des Einsturzes auf der Brücke. Deren Fahrer wurden leicht verletzt. Dieses Unglück weckt Erinnerungen an den Brückeneinsturz in Genua vor bald zwei Jahren. Laut SRF-Korrespondent Franco Battel könnte sich derlei jederzeit wiederholen.
SRF News: War es einfach Zufall, dass das Unglück so glimpflich ausging?
Franco Battel: Nein, das hat viel mit dem Coronavirus zu tun. Normalerweise ist diese Brücke zwischen La Spezia und Massa stark befahren. Wegen der strikten Ausgangssperre und weil ein Grossteil der Wirtschaft in Italien still steht, war nur sehr wenig Verkehr auf dieser Brücke zu verzeichnen.
Autofahrer sollen mehrfach Risse in der Brücke gemeldet haben. Doch Experten hielten die Brücke weiterhin für sicher. Das erinnert an den Einsturz der Morandi-Brücke in Genua, wo es vorher auch Warnungen gegeben hatte. Haben die Verantwortlichen nichts daraus gelernt?
Die Schuldfrage beim Einsturz der Morandi-Brücke ist gerichtlich noch nicht geklärt. Wir wissen also offiziell noch gar nicht, was genau zum Einsturz der Brücke geführt hat. Was wir wissen, ist, dass Italien beim Wirtschaftsboom in den 60er- und 70-Jahren innert kürzester Zeit sehr viele Brücken gebaut hat.
Auch viele Tunnels sind in einem schlechten Zustand.
Viele dieser Brücken sind heute Sanierungsfälle. Es kommt in Italien leider oft vor, dass Brücken als baufällig geschlossen werden oder sie gar einstürzen. Abgesehen von der Morandi-Brücke waren es bisher meist kleinere Brücken. Aber auch viele italienische Tunnels sind in einem schlechten Zustand.
Wieso kriegt der Staat dieses Problem nicht in den Griff?
Man merkt, dass Italien in den letzten Jahren sehr viel gespart hat, sehr viel sparen musste. Das ist aber nur ein Teil der Begründung. Der andere ist: Selbst wenn man Sanierungsbedarf festgestellt hat und Geld vorhanden ist, passiert oft nichts – wegen der Bürokratie. Bei diesem Brückeneinsturz war nun offensichtlich auch Fahrlässigkeit mit im Spiel. Nach der Meldung von Rissen durch lokale Behörden fand im letzten Jahr eine Inspektion statt, die zum Schluss kam: Alles ist okay. Da läuft nun ein gerichtliches Verfahren.
Das heisst, Brückeneinstürze können sich immer und überall ereignen?
So hart das klingt: Ja, das muss man bejahen, denn Italien hat, wie man nun sieht, aus dem Einsturz der Morandi-Brücke noch keine oder erst viel zu wenige Konsequenzen gezogen. Italien müsste die Brücken nun wirklich alle kontrollieren und baufällige entweder sofort sanieren oder aber schliessen. Sonst kann solches bei Brücken, aber auch bei Tunnels immer wieder passieren.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.