Männer mit Bärten und Mistgabeln rennen von der Markthalle in Burgdorf (BE) weg – sie laufen hinter halbnackten Frauen mit Plastikpuppen in den Armen her. Angeführt werden sie von Heidi, einer jungen Frau mit schwarzen Zöpfen, einer Berner Tracht und Strapsen. Plötzlich fliegt hinter ihnen die Markthalle in die Luft.
Im Film «Mad Heidi» rettet die erwachsene Version der Heidi die Schweiz vor einer faschistischen Käse-Diktatur. Erst wurde sie von ihren Grossvater Alpöhi in den Bergen vor den schlechten Einflüssen der Welt beschützt. Doch Heidi sehnt sich nach Freiheit und Revolution und wird zur wilden Kämpferin.
Dieser Film sorgt bereits für rote Köpfe, bevor es ihn überhaupt gibt.
Die Neuverfilmung des Schweizer Filmteams hat mit dem Original des Heimatfilm-Klassikers wenig zu tun – und zwar ganz bewusst, denn hier wird ein sogenannter Exploitationsfilm gedreht. Dabei wird ein bestehender Film neu mit Sex, Gewalt oder heiklen Situationen angereichert, um bestimmte Gefühle bei den Zuschauerinnen und Zuschauern auszulösen. Filme wie «Kill Bill» des US-Regisseurs Quentin Tarantino haben diese Art von Filmen salonfähig gemacht. Heidi ist nun der erste derartige Film aus der Schweiz, der erste «Swissploitation-Film» also.
Die Schweiz scheint jedoch noch nicht bereit zu sein für Heidi in Strapsen, sagt der Züricher Produzent Valentin Greutert: «Dieser Film sorgt bereits für rote Köpfe, bevor es ihn überhaupt gibt.» Jemand habe seinen Job verloren, weil er für den Film arbeitete, eine andere Person sei deswegen aus dem Trachtenverein geworfen worden. «Es ist verrückt, wie gewisse Leute auf den Film reagieren», sagt Greutert, der auch Produzent des Filmes über Bruno Manser war.
International bekannte Schauspieler
Bei der Parodie von Heidi gehe es nicht um moralische Verrohung. Der Film sei vielschichtig und übe durchaus Kritik an der Gesellschaft: «Wir versuchen nicht, die Schweiz zu demontieren. Wir spielen einfach mit dem, was da ist», so Greutert. Kultur sei immer im Wandel, sonst sei es eine tote Kultur.
Eine Kultur, die stehenbleibt, ist eine tote Kultur.
Weil das internationale Publikum diese Art von Filmgenre verstehe, wird der Film in englischer Sprache gedreht. Es stehen international bekannte Schauspieler vor der Kamera.
Neue Wege geht der Filmproduzent auch bei der Finanzierung. Er setzt nicht auf bekannte Filmfördergremien, sondern auf die Fans, die im Internet sogenannte «Mad Invest-Shares» kaufen und damit Geld via Blockchain in den Film investieren können. Pro «Share» zahlt man 500 Franken. Die Investorinnen und Investoren werden dementsprechend auch am Umsatz des Filmes beteiligt.
Auf diesem Weg sind bisher insgesamt 1.5 Millionen Franken zusammengekommen. Eine halbe Million fehlt noch für die vorgesehenen zwei Millionen Franken.
Als Fan das grosse Geld machen?
Der Film soll in einem Jahr veröffentlicht und primär online gezeigt werden. Geld bringen soll das Streaming. Dass die Schweizer Filmemacher dies jedoch alleine schaffen, bezweifelt SRF-Filmexperte Michael Sennhauser: «Das halte ich derzeit für eine sehr überrissene Hoffnung.»
Wenn eine globale Plattform den Film übernimmt, könnte er rentabel werden.
Crowdfunding bei Filmen gebe es schon lange, richtig abheben konnte jedoch noch niemand. «Die Hoffnung dabei ist, dass der Film am Schluss genügend Aufmerksamkeit erhält, damit eine Plattform das fertige Produkt übernimmt.» Und sollte der Film «Mad Heidi» genügend Aufmerksamkeit erhalten – beispielsweise über Youtube – dann könnte eine globale Plattform wie Netflix den Film übernehmen. «Dann könnte es rentabel werden», sagt Sennhauser.