«Wir brauchen mehr Wasser unter dem Kiel», umschreibt der Chef der BLS Schifffahrt, Claude Merlach das Anliegen. Hätte er das, könnte er nämlich im Winter nicht nur die kleine «MS Schilthorn» fahren lassen, sondern auch die grosse MS «Berner Oberland.
Es geht um rund 15 Zentimeter, um die der minimale Spiegel des Thunersees angehoben werden müsste. Damit könnte die MS «Berner Oberland» auch in der Wintersaison die Kanäle in Thun und Interlaken West sowie die Werft befahren. Alle anderen Anlegestellen im See sind problemlos ansteuerbar.
See absenken – muss das sein?
Merlach will aber nicht nur generell mehr Wasser im Winter, sondern auch keine ausserordentlichen Seeabsenkungen mehr. Aller vier Jahre wird nämlich der See zu Jahresbeginn während einiger Wochen tief abgesenkt, damit Gemeinden beispielsweise Ufermauern reparieren können. Das schränke die Schifffahrt ebenfalls ein.
Nachfrage im Winter steigt
Laut Merlach gehen zwischen Januar und April rund 60'000 Gäste aufs Schiff. Das seien zwar zehnmal weniger als im Sommer, doch die Nachfrage im Winter steige. Die BLS will deshalb jetzt zwei Gesuche einreichen. Eines für mehr Wasser im Winter und ein weiteres für den Verzicht auf ausserordentliche Seeabsenkungen. Gemeinden am Ufer des Thunersees wurden bereits befragt, und auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde gemacht.
In der UVP steht unter anderem, dass ein höherer Seepegel im Winter möglicherweise schlecht für die Gelbbauchunken und das Schilf, aber besser für den Laich der Fische sei. Zudem würden Trockenflächen wegfallen, was allerdings für die Seevögel nicht problematisch sei.
Pro Natura alarmiert
Bei Verena Wagner von Pro Natura hat sich der Widerstand gegen die Absichten der BLS Schifffahrt formiert. «Man weiss einfach nicht, wie sich ein anderer Dauerwasserstand im Winter auf verschiedene Gebiete und die Natur auswirken würde», stellt sie fest. Sie findet es zugleich grundsätzlich fragwürdig, dass sich «die ganze Flora und Fauna nach den Nutzerbedürfnissen der Unternehmen» richten müsse.
Thun: Weniger Seeabsenkungen als Option
Mehr Wasser für grössere Schiffe im Winter sei ihm recht, sagt dagegen der für das Bauwesen der Stadt Thun zuständige Gemeinderat Konrad Hädener. Auf die ausserordentlichen Seeabsenkungen will er allerdings nicht verzichten.
Er spricht den Mehraufwand an, wenn Uferverbauungen künftig unter Wasser saniert werden müssten. «Das müsste der Stadt Thun abgegolten werden, entweder durch den Kanton oder die BLS Schifffahrt» findet er. Allerdings müssten solche Seeabsenkungen nicht zwingend alle vier Jahre erfolgen.
Aspekt Hochwassersicherheit
Gesteuert wird der Wasserpegel vom Kanton Bern. Bernhard Wehren, Leiter der Seeregulierung, macht deutlich: «Wenn man zeigen kann, dass der höhere Pegel im Winter keine Folgen für die Hochwassersicherheit hat, ist das sicher problemlos realisierbar.» Er verweist zugleich auf den unterschiedlichen Zufluss in den Thunersee im Winter. Etwa wenn es regne statt schneie und damit das Hochwasserrisiko steige.
Kanton Bern in einer Doppelrolle
Noch nie wurde im Kanton Bern ein Gesuch für eine neue Regulierung des Thunersees zur Beurteilung eingegeben. Bewilligen oder ablehnen wird sie Regierungsrat Christoph Neuhaus. Seine Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion ist für den Hochwasserschutz zuständig.
Ausserdem profitiert der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär der BLS auch von einer erfolgreichen Schifffahrt. «Das heisst aber nicht, dass wir nur auf die Dividende schielen können, sondern wir müssen auch schauen, dass man in Thun und weiter unten an der Aare nicht nasse Füsse bekommt.» Neuhaus wird dann über den Pegelstand entscheiden, wenn die BLS ihr Gesuch eingereicht hat.