Wenn die eigene Mutter plötzlich die Socken im Kühlschrank versorgt; wenn der Vater nach einer Operation nicht mehr selber kochen kann; wenn der Haushalt zur unüberwindbaren Hürde wird: Dann übernehmen oft Angehörige die Pflege. Täglich unterstützen und pflegen in der Schweiz 1,9 Millionen Menschen Kinder oder Erwachsene, die auf Hilfe angewiesen sind.
Alleine im Kanton Graubünden erbringen Angehörige Pflegeleistungen von rund 85 Millionen Franken pro Jahr. Trotzdem werde diese Arbeit zu wenig wertgeschätzt, sagen Fachleute.
Gegensteuer geben will in Graubünden unter anderem der Verein Curvita. Diese Organisation gibt es seit zwei Jahren. Präsidentin ist Iris Hess-Lanfranchi.
SRF News: Frau Hess, Sie sind nicht nur Präsidentin, sondern haben auch selber jahrelang ihre Eltern gepflegt. Warum haben Sie das gemacht?
Iris Hess-Lanfranchi: Wir haben zehn Jahre lang meine an Demenz erkrankte Mutter gepflegt. Das konnten wir machen, weil man Vater noch gesund war – obwohl er bereits sehr alt war. Meine vier Schwestern und ich haben untereinander die Aufgaben aufgeteilt.
Wie haben Sie das gemacht? Sie lebten in Chur, die Eltern in einem Südtal.
Wir haben uns einen Plan gemacht und hatten zum Glück auch die Unterstützung unserer Ehemänner. Trotzdem war es zum Teil eine Überforderung, aber es war auch sehr schön. Meine Mutter hat immer gestrahlt, wenn man sie in die Arme genommen hat. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, bedauere ich, dass ich sie nicht öfters in die Arme geschlossen habe.
Was braucht es aus Ihrer Sicht, um die pflegenden Angehörigen besserzustellen?
Vor allem anderen muss man über die pflegenden Angehörigen und über ihre Leistungen reden. Es ist wichtig, dass man ihnen Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringt. Es geht nicht in erster Linie darum, dass man sie finanziell entschädigt. Aber man muss Lösungen finden für individuelle Probleme – zum Beispiel, wenn jemand kündigt, damit er sich um die Angehörigen kümmern kann. Dann sollte es nicht so sein, dass diese Person Ausfälle bei der AHV und später dann zu wenig zum Leben hat.
Müssten diese Leute denn einen richtigen Lohn erhalten?
Ja, das wäre durchaus denkbar. Aber nicht der Staat kann die ganze Pflege Zuhause etschädingen. Hier müssen auch familieninterne Lösungen gefunden werden. Also, dass zum Beispiel jene, die die Pflege übernehmen, etwas erhalten von den Angehörigen, die selber nicht mitmachen können oder wollen.
Die Fragen stellte Sara Hauschild.