SRF: Sie haben zwei massive Panikattacken erlebt – eine als Autofahrerin im Gotthardtunnel vor zehn Jahren, eine im Flugzeug einige Zeit später. Wie kam es dazu?
Catherine Ackermann: Wahrscheinlich haben dem einfache körperliche Symptome zugrunde gelegen – ein zu tiefer Blutdruck in dem Moment oder ein niedriger Blutzuckerspiegel. Ich bin dann wie aus meinem Körper herausgestiegen, mir war total schwindelig, und ich hatte Herzrasen. Das ist mir dann leider wie ein Trauma im Kopf geblieben. Nicht einmal wegen mir, sondern weil ich mich in dem Moment einfach nicht unter Kontrolle hatte und gerade im Tunnel ja auch andere hätte gefährden können.
Haben Sie es aus dem Tunnel geschafft?
Für mich gab es nur noch den Gedanken, ich muss irgendwie aus dem Gotthardtunnel raus kommen. Ich habe Traubenzucker geschluckt und Wasser getrunken und angefangen, mit mir zu reden. Irgendwie habe ich es nach Zürich geschafft.
Wie lief ihre zweite Panikattacke im Flugzeug ab?
Kaum haben wir den Boden verlassen, bin ich wieder aus meinem Körper ausgestiegen. Dann ist noch neben mir ein Herr kollabiert, zu dem dann auch sofort ein Arzt gekommen ist. Ich habe gedacht, nein, so schlimm ist es ja bei mir nicht. Darum habe ich auch nichts gesagt. Nach 10, 15 Minuten war die Attacke vorbei, und ich habe den Flug irgendwie überstanden.
Wenn man vom Pferd fällt, muss man ja auch sofort wieder aufsteigen.
Leider habe ich mir dann gesagt: Das war es jetzt, ich fliege erst einmal eine Weile nicht mehr. Das ist aber nie gut. Wenn man vom Pferd fällt, muss man ja auch sofort wieder aufsteigen. Das hätte ich auch machen müssen. Statt dessen habe ich dann Länder und Landschaften mit dem Zug kennengelernt, die ich sonst nicht erlebt hätte. Also hatte es sicher auch etwas Gutes.
Irgendwann kamen bei Ihnen zur Angst vor dem Autofahren und Fliegen auch die Angst vor Aufzügen und Menschenmengen hinzu. Das ist doch eine grosse Einschränkung!
Da muss ich korrigieren. Ich hatte zwar die Angst, aber ich habe trotzdem alles gemacht. Ich habe für mich verstanden, dass ich die Angst nur dann überwinden kann, wenn ich mich ihr stelle. Also bin ich eben in den Lift, also bin ich eben ins Hochhaus und war am Filmset, wo wir in die kleinsten Tunnels und Lifte im Bergwerk mussten. Es war ein riesiger Prozess, aber ich habe mich allem gestellt und gekämpft.
Heute sagen Sie, Ihre Ängste plagen Sie nicht mehr. Was brachte den Durchbruch?
Es war Weihnachten, und ich wollte von Ludwigsburg, wo ich studiert habe, nach Zürich zu meiner Familie. Es sollte eigentlich ein Freund mit mir fahren, aber der hat mir abgesagt. Mit Gepäck und Hund im Zug war nicht vorstellbar, also habe ich mir gesagt, ich muss das jetzt schaffen. Es hatte den grössten Schneesturm überhaupt und ich bin mit 40 km/h über die Autobahn gefahren. Meine Eltern haben mich über das Telefon immer wieder motiviert. Ab da bin ich wieder locker und frei gefahren und habe gewusst, wenn ich so einen Schneesturm schaffe, dann schaffe ich alles andere auch wieder.
Ich glaube kaum, dass die Ängste mit meiner Herkunft zu tun haben, sondern mit meinem eigenen Stress.
Sie stammen aus einer Hochleistungsfamilie, mit einem Bankmanager als Vater. Können Sie sich heute erklären, woher Ihre Ängste gekommen sind – war der Druck zu gross?
Das sagen viele und das ist auch berechtigt. Aber ich selbst kann nur für mich sagen, dass dem nicht so ist. Wir sind leistungsorientiert, wir lieben Herausforderungen, möchten viel erreichen. Aber meine Eltern haben schlussendlich nichts von mir verlangt, was ich nicht wollte. Im Gegenteil, sie haben mich immer sehr unterstützt, das zu finden und zu machen, was mir gefällt und mich erfüllt. Ich glaube kaum, dass die Ängste mit meiner Herkunft zu tun haben, sondern mit meinem eigenen Stress und damit, dass ich zu wenig auf mich geachtet habe.
Ich bin ein sehr dynamischer, energetischer Mensch. Ich mache viel, auch für andere Menschen. Ich glaube, das war das Zeichen, dass ich vielleicht auch einmal zuerst kommen sollte. Ich musste mir einfach bewusst werden, wo und wie ich mich erholen kann und wann ich wieder Vollgas geben kann.
Das klingt, als hätten Sie Ihren Frieden mit der Angst gemacht.
Man muss lernen, was die Angst bedeutet und was da im Körper passieren kann, um die Symptome und Gedanken zu verstehen. Aber die Toleranz, die Achtsamkeit, das Bewusstsein fürs Leben, das man so gewinnt – ob das alle so haben, weiss ich nicht. Aber Betroffene wie auch ich haben das. Das empfinde ich als ein grosses Geschenk. Heute ist die Angst mein Freund geworden.
Das Gespräch führte Regula Zehnder.