Rahel Ommerli residiert in einem wunderschönen Büro im obersten Stock des Regierungsgebäudes in Aarau. Sie leitet den Parlamentsdienst des Grossen Rates.
Ihr Dienst ist die Schnittstelle zwischen der Regierung und dem Kantonsparlament. Momentan hat der Parlamentsdienst nicht viel zu tun. Viele Sitzungen des Grossen Rates sind abgesagt. 2018 wird voraussichtlich nur etwa die Hälfte der budgetierten Sitzungen durchgeführt. Deshalb muss Rahel Ommerli mit ihrem Personal jonglieren. «Wir haben mit unseren Leuten flexible Arbeitszeiten vereinbart. So können wir herunterfahren bei wenigen Sitzungen.»
Den Grund für die wenigen Sitzungen erklärt Regierungssprecher Peter Buri.
Es habe mit den Spar- und Entlastungsprogrammen der letzten fünf Jahre zu tun. Man habe einige Projekte zurückgestellt, zum Beispiel die Reform der Führungsstrukturen an der Volksschule. «Das führt tendenziell zu einem Rückgang der Regierungsgeschäfte im Grossen Rat.»
Diesen Rückgang spürt Claudia Rohrer sehr deutlich. Sie sitzt seit Anfang 2017 für die SP im Grossen Rat.
Sie habe sich die Politik ganz anders vorgestellt, nämlich als regelmässige Treffen mit Menschen nicht nur aus der eigenen, sondern vor allem auch aus anderen Parteien. Dafür hielt sie sich extra immer den Dienstag frei. Doch jetzt sind die wenigsten Dienstage mit Politik belegt. Schade, findet Claudia Rohrer. «In einem Parlament muss man miteinander reden und einen Konsens finden. Dafür muss man sich kennen und Vertrauen aufbauen. Das geht nicht, wenn man nur so wenig Sitzungen hat.»
In der Politik muss man miteinander reden können. Nur so kann man Vertrauen aufbauen.
Ebenfalls mehr Sitzungen wünschte sich Sabine Sutter von der CVP. Auch für sie ist es die erste Legislatur im Rat.
Vorstösse vorbereiten sei schwieriger, wenn man Ratskollegen anderer Parteien nur selten sehe, so Sutter: «Wenn man einen Vorstoss machen will, muss man dies im Moment sehr gut planen. Vor allem, wer wann erreichbar ist.»
Arrangiert mit den wenigen Sitzungen hat sich hingegen Dominik Peter von der GLP, auch er ein Neuling im Kantonsparlament.
Er habe schon etliche Vorstösse durchgebracht, so Peter. Die Vorbereitungen dazu würden über elektronische und soziale Medien gemacht. Und wichtig für ihn: «Ich treffe mich halt ausserhalb des Parlamentsbetriebs mit all meinen Kollegen aus SP bis SVP.» Das sei sogar besser als Kontakte im Rat, denn man lerne sich so auch noch privat kennen.
Kein Problem mit dem tiefen Sitzungsrhythmus hat Christine Keller von der FDP.
«Wenn nicht mehr Geschäfte vorhanden sind, dann muss man sich ja auch nicht treffen. Weniger Sitzungen gibt mir auch noch Platz für anderes.»
Vielen Grossrätinnen und Grossräten fehlen die Sitzungen an den für den Grossen Rat reservierten Dienstagen aber. Sie überlegen sich, ein neues Modell einzuführen, nämlich häufiger Sitzungen, dafür kürzere, jeweils am Dienstagmorgen.
Colette Basler von der SP würde das begrüssen. «Wenn jetzt Sitzung ist, hat man es sehr streng. Und dann ist wieder ein paar Wochen lang nichts los. Mir käme es entgegen, wenn es regelmässiger wäre.»
Ganz anders die Haltung bei Martina Bircher von der SVP.
«Für das Berufsleben sind Ganztagesszitungen besser. Und ich brauche bald einen Platz in einer KiTa für mein Kind. Das lässt sich kaum organisieren, wenn man nur einen halben Tag weg ist.»
Die Regierung schiebt keineswegs eine ruhige Kugel.
Bis der Sitzungsrhythmus des Grossen Rates angepasst wäre, würde aber viel Zeit vergehen. Und die Idee ist wohl auch nicht mehrheitsfähig. Und vielleicht löst sich das Problem der wenigen Sitzungen schon bald von selber. Die Regierung nämlich sei überhaupt nicht untätig, sagt ihr Sprecher Peter Buri.
Man habe viele Projekte in der Pipeline, ab 2019/2020 habe der Grosse Rat wieder viel Futter. Und Buri nennt Beispiele: Aargauer Lehrplan, Führungsstrukturen und Neuressourcierung der Volksschule, Totalrevision des Spitalgesetzes, Grossunterkünfte für Asylbewerber. «Es ist keineswegs so, dass die Regierung unterfordert wäre oder eine ruhige Kugel schieben würde.»