Im Bündner Oberland wehren sich einige Bauern laut und deutlich gegen den Wolf. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga erhielt einen Brief, Regierungsräte reisten in die Surselva. Besonders aktiv sind die Landwirte auf Facebook. Die Gruppe «Surselva Wolf» zählt über 1000 Mitglieder.
Wie viele Wölfe muss man dulden?
Dort engagiert sich auch die 25-jährige Carolin Jörger, Bauersfrau in Tersnaus, mitten im Wolfsgebiet. Zusammen mit ihrem Mann führt sie einen Biobetrieb mit 30 Tieren, davon ein dutzend Milchkühe. Seit einigen Tagen sind die Tiere auf der Alp. «Hoffentlich schaut kein Wolf vorbei», sagt Carolin Jörger. Bei Kuhherden fehle es an Erfahrung im Umgang mit den Grossraubtieren.
Der Wolf hat ein Recht zu leben, aber...
Seit Beginn dieses Jahres sind in der Region mehrere Dutzend Schafe gerissen worden, zum Teil auch aus geschützten Herden. Landwirte haben beobachtet, dass Kuhherden verängstigt sind oder anders reagieren – eine Erfahrung, die Carolin Jörger bisher nicht gemacht hat.
Der Wolf gehöre zur Natur und habe ein Recht auf Leben. Aber, wirft die Bauersfrau ein: «Wie viele Wölfe muss man dulden?» Wie bei Hirsch und Reh, die den Schutzwald gefährden könnten, müsse es auch möglich sein, die Zahl der Wölfe zu begrenzen. Wo die Limite sei – diese Frage sei noch zu klären.
Medienkritik trifft einen Nerv
Ende Mai taucht auf Facebook das Foto eines gerissenen Kalbs auf und Carolin Jörger beobachtet, wie in den Kommentaren der Wolf verdächtigt wird. Als sich dann herausstellt, dass das Kalb an einer Krankheit gestorben ist, wird die Bauersfrau wütend und tut dies auch kund auf der Facebook-Gruppe «Surselva Wolf». «Dumm» sei es gewesen, ausgerechnet einen unbestätigten Fall weiterzuverbreiten, dabei «gibt es so viele bestätigte Risse».
Ich wünsche mir einfach, dass umfassend informiert wird.
Darüber berichten was ist, hier seien auch die Bündner Medien in der Pflicht. So publiziert Carolin Jörger im Mai einen Post mit dem Titel «Das Schweigen der Medien» – der ab geht wie eine Rakte. Sie schreibt, es gebe dubiose Machenschaften, hier werde versucht das Problem unter dem Deckel zu halten.
Heute sagt sie: «Dieser Post entstand aus der Emotion heraus. Aber damals sah ich keine andere offensichtliche Lösung». Sie habe sich nicht erklären können, wieso das Bündner Lokalradio über acht gerissene Schafe im Wallis berichtet – aber nicht über die Risse im Bündner Oberland. Wieso ein Journalist ein Interview mit einem Landwirt mache, aber nur einen kurzen Bericht sendet.
Dass das «Regionaljournal Graubünden» am Tag zuvor ausführlich berichtet hat, die Regionalzeitung zwei Wochen zuvor, spielt in diesem Moment keine Rolle.
Emotionen statt Wissen
Der provokative Facebook-Post trifft einen Nerv weit über die Surselva hinaus und wird über 600 Mal geteilt: «Ich wünsche mir einfach, dass umfassend informiert wird», sagt Jörger, damit sich die Bevölkerung ein Bild machen könne. Die Bedenken der Landwirte dürften nicht einfach als Hirngespinste abgetan werden.
Der Kanton hat reagiert und publiziert seit kurzem alle Risse und Beobachtungen auf dem Internet. Carolin Jörger setzt sich bei der Facebook-Gruppe «Surselva Wolf» für mehr Sachlichkeit ein. Der Wolf sei ein emotionales Thema: «Viele haben eine Meinung aufgrund von Emotionen und nicht von Wissen». Das Ziel ist eine Debatte, die diesen Namen auch verdient.