Die deutliche Ablehnung der Begrenzungsinitiative wird von den Exponenten der Bundesratsparteien – ausser natürlich von der SVP – mit Erleichterung gesehen.
Für SP-Fraktionschef Roger Nordmann ist klar: «Das Volk ist SVP-müde.» Seit 20 Jahren seien die bilateralen Verträge ein Erfolgssystem, auch der Lohnschutz funktioniere gut. «Es ist ein Super-Abstimmungsergebnis, ein Bekenntnis zur Teilnahme am Binnenmarkt.»
Den bilateralen Weg weiterverfolgen
«Wir wollen keine Zehn-Millionen-Schweiz und wir wollen einen Inländervorrang», betont dagegen SVP-Präsident Marco Chiesa. Für die deutliche Ablehnung der Begrenzungsinitiative seiner Partei macht er auch die Covid-Krise verantwortlich. «Es gab eine Verunsicherung in der Bevölkerung.»
Anders sieht das FDP-Präsidentin Petra Gössi: «Wir haben heute eine ganz klare Bestätigung des bilateralen Wegs bekommen», betont sie. Das Abstimmungsresultat habe nur wenig mit der Coronapandemie zu tun. Wichtig sei zu akzeptieren: Die Schweiz wolle keinen EU-Beitritt, sie wolle aber auch keine Abschottung. «Sie will den bilateralen Weg.»
CVP-Präsident Gerhard Pfister seinerseits betont, dass heute mehr als 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer Ja gesagt hätten zur Personenfreizügigkeit der Schweiz – und dabei habe unser Land den höchsten Ausländeranteil Europas.
Ein solches Resultat in einer Volksabstimmung solle ein EU-Land erst mal nachmachen. Doch: «Die Personenfreizügigkeit muss durch die Wirtschaft gesteuert werden», so Pfister. «Das muss man der EU sagen!»
Jetzt ist der Bundesrat am Zug
In der EU-Politik der Schweiz ist der nächste Schritt bekanntlich bereits vorgegeben: Es geht um das institutionelle Abkommen, mit dem das künftige bilaterale Verhältnis umfassend geregelt werden soll. Aus Sicht der Schweiz muss das Abkommen nachverhandelt werden, aus Brüsseler Sicht kommt das aber nicht infrage.
«Hier ist jetzt der Bundesrat am Zug», sagt Gössi. Die Landesregierung müsse eine Strategie entwickeln, wie in der Sache weiter vorzugehen sei. Das wichtigste sei dabei wohl, dass man eine zukünftige Übernahme der Unionsbürger-Richtlinie ausschliessen könne. Sonst drohe der Schweiz die Einwanderung in ihr Sozialsystem.
Es braucht Nachverhandlungen
«Der Bundesrat muss über die vier umstrittenen Punkte des Abkommens wesentliche Verbesserungen hinkriegen», sagt CVP-Präsident Pfister. Es müsse der EU klargemacht werden, dass vier Bereiche – Unionsbürger-Richtlinie, staatliche Beihilfen, flankierende Massnahmen und Entscheide durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) –, so wie sie im Abkommen vorliegen, «nicht gehen».
Dem stimmt ein Stück weit auch SP-Fraktionspräsident Nordmann zu. «Die hohe Zustimmung zur Personenfreizügigkeit heute wird uns helfen, eine Lösung bei einigen Punkten zu finden.» Allerdings werde man es kaum schaffen, mit allzu hohen Ansprüchen gegenüber Brüssel durchzukommen, befürchtet er.
Für SVP-Präsident Chiesa ist dabei der wichtigste Punkt der Verlust an Souveränität: «Wenn der Europäische Gerichtshof entscheidet, verlieren wir unsere Freiheit und Souveränität.» Er habe die Überlegungen von Alt Bundesrat Johann Schneider Ammann in der NZZ deshalb sehr geschätzt. Dieser hatte in einem Gastbeitrag kürzlich die Macht des EuGH als «souveränitätspolitisch heikel» bezeichnet.