Das Kunstmuseum St. Gallen zeigt sie bewusst: Zwei Werke, die als NS-Raubkunst gelten. Werke, die den jüdischen Besitzern von den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs weggenommen wurden.
Eines davon ist Ferdinand Hodlers «Thunersee mit Stockhornkette». Lange habe man nicht gewusst, dass es sich bei diesem Gemälde um NS-Raubkunst handle, sagt Samuel Reller vom Kunstmuseum St. Gallen.
Werke verwechselt
Als der St. Galler Kunstsammler Simon Frick das Gemälde 1985 erwarb, sei das Werk im Katalog mit einer lückenlosen und unproblematischen Herkunft ausgewiesen worden. Erst später habe sich herausgestellt, dass aufgrund einer falschen Zuordnung unter den 33 bekannten Versionen der Stockhornkette die Provenienzen zweier Werke verwechselt worden waren. «Dabei stellte sich heraus, dass dieses Werk aus der Sammlung des Breslauer Unternehmers Max Silberberg stammte», so Reller.
Seit 1998 regeln die Richtlinien der Washingtoner Konferenz den Umgang mit NS-Raubkunst. Die Richtlinien sehen bei Gemälden, die im Besitz von öffentlichen Institutionen sind, eine «faire und gerechte Lösung» vor. Diese werde auch für das Gemälde von Ferdinand Hodler gesucht, sagt Reller. So einfach ist es aber nicht: Das Gemälde wird als Leihgabe im Museum gezeigt. Es ist im Besitz einer Stiftung. Diese ist zur Zeit in Verhandlungen mit den Erben von Max Silberberg, welche das Werk gerne zurück hätten.
Wir können die Aufgabe des Erinnerns wahrnehmen.
«Das St. Galler Kunstmuseum bemüht sich, dass das Werk in öffentlichem Besitz bleibt und öffentlich gezeigt werden kann», sagt Reller. Denn: «Unsere Ansicht ist auch die, dass wir so eine Aufgabe des Erinnerns wahrnehmen können. » Erinnern, an die tragische Geschichte von Max Silberberg und seiner Frau, die im Zweiten Weltkrieg nicht nur ihre Sammlung und ihren Besitz, sondern am Ende auch ihr Leben verloren hätten.
Herkunft kennen, ist wichtig
Beim Werk von Ferdinand Hodler hat sich die Provenienz im Nachhinein als falsch herausgestellt. Bei dem grössten Teil der Werke sei dies aber nicht der Fall, so Reller. Oft kämen weitere Details dazu. Und das sei auch das Ziel der Provenienzforschung: Die Herkunft möglichst detailliert kennen. «Sammler und Museen hatten schon immer ein Interesse daran, möglichst viel über ein Gemälde zu wissen», sagt der Provenienzforscher. Und zwar nicht nur, um unrechtmässige Besitzerwechsel aufzuzeigen, sondern: «Die Werke erhalten auch eine andere Bedeutung, wenn man weiss, dass sie einmal in einer fürstlichen Sammlung oder bei einer bedeutenden Kunstausstellung ausgestellt waren.»
Die Werke erhalten eine andere Bedeutung.
Die detaillierte Provenienz eines Werkes aufzuzeigen, ist eine aufwändige Arbeit. Das Werkverzeichnis helfe, sagt Reller. Aber auch Online-Datenbanken, Biografien der Künstler, Verzeichnisse der Sammler, Kollegen in anderen Museen und und und.
Am Ende fügen Provenienzforscher wie Detektive einzelne Puzzleteile zusammen, schliessen Lücken. Und genau wie bei den Detektiven hört ihre Arbeit nie auf: Alleine das Kunstmuseum St. Gallen besitzt gegen 15'000 Werke - die detaillierte Provenienz ist nur bei einem Bruchteil geklärt.