Der Zweite Weltkrieg bricht 1939 über Europa herein. Bundespräsident Philipp Etter spricht zum Volk: «Liebe Eidgenossen, die schweren Spannungen haben den Bundesrat veranlasst, die für den Schutz unseres Landes erforderlichen vorsorglichen Massnahmen zu treffen.»
Die Landesverteidigung lässt die Bundesausgaben explodieren. Der Bundesrat reagiert mit neuen Steuern: Es ist die Geburtsstunde auch der Verrechnungssteuer – ein Pfand auf die Erträge von Geldanlagen. Wer die Erträge in der Steuererklärung angibt, erhält die Verrechnungssteuer zurück.
Zur Einführung schalten die Bundesbehörden Inserate wie dieses in der NZZ: «Kriegsschulden können nur dann getilgt werden, wenn alle Bürger dem Staate geben, was des Staates ist.»
Die Nachkriegszeit
Im Krieg verschuldet sich der Bund enorm. Doch die Zeiten werden besser. «Gehn sie mit der Konjunktur, gehn sie mit auf diese Tour…», singt etwa das Hazy-Osterwald-Sextett im Cha-Cha-Cha-Rhythmus in den 1960er-Jahren.
Die Wirtschaft brummt. Das Radio fragt die Leute auf der Strasse nach ihrer Steuermoral: Jeder probiere doch, bei den Steuern gut wegzukommen, sagt ein Passant auf die Frage, ob er auch schon einmal ein bisschen «beschissen» habe.
1962: Bericht zum Steuergewissen
1962 verfasst der Bundesrat den bis heute letzten offiziellen Bericht über die Steuerhinterziehung und dieser hat es in sich. «Heute fehlt in weiten Kreisen das Steuergewissen», heisst es da. Einnahmen von rund 300 Millionen Franken entgingen dem Staat jährlich durch Steuerhinterziehung – oder «Steuer-Defraudation», wie man damals sagte.
Und weiter: «Ohne Zweifel wird die Steuer-Defraudation durch das Bankgeheimnis wesentlich begünstigt. Und die Aufhebung könnte das Übel an seiner Wurzel packen.» Für diese Aussage erntet der Bundesrat heftige Kritik vom bürgerlichen Lager und Wirtschaft. Das Bankgeheimnis bleibt unangetastet.
Ohne Zweifel wird die Steuer-Defraudation durch das Bankgeheimnis wesentlich begünstigt.
Wachsender Druck auf Banken
In den 1970er-Jahren bewegen Enthüllungen über Gelder von Diktatoren und italienischen Steuerhinterziehern auf Schweizer Banken die politische Linke. Als radikaler Kritiker tritt SP-Nationalrat Jean Ziegler auf den Plan: «Fluchtgeldmilliarden aus der ganzen Welt, die in Koffern von Genf, Zürich und Basel strömen, sind das Fundament dieser unerhörten, unheimlichen kolonisierenden Macht der Grossbanken in der Schweiz.»
In derselben Radiosendung kontert Hans Halbheer, Kadermann bei der Schweizerischen Kreditanstalt. Die Schweiz unterstütze das Ausland bei der Suche nach kriminellen Geldern: «Das Bankgeheimnis ist nicht für die Ausländer geschaffen worden, sondern von den Schweizern für die Schweizer. Es ist ein typischer Ausfluss unseres starken Schutzes der Privatsphäre und vor Eingriffen durch den Staat.»
Bankgeheimnis im Inland und Datenaustausch
1984 bekennt sich das Volk in einer Abstimmung sehr deutlich zum Bankgeheimnis. Doch der internationale Druck wächst, bis die Politik Ende der Nullerjahre das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland opfern muss. Heute liefert die Schweiz an über 100 Staaten automatisch Bankdaten ihrer Staatsbürger.
Im Inland bleibt das Bankgeheimnis unangetastet. Seit über zehn Jahren dürfen alle «einmal im Leben» hinterzogenes Geld nachmelden – ohne Strafe. Weit über Hunderttausend haben das getan und über 70 Milliarden Franken gemeldet. Das ganze Ausmass der Steuerhinterziehung bleibt im Dunkeln.