Etwa 40 Flüchtlinge im Alter von 15 bis 18 Jahren leben zur Zeit im Aargau. Sie kamen als sogenannte «unbegleitete minderjährige Asylsuchende» (UMA) in die Schweiz. Viele von ihnen hätten eine lange Leidensgeschichte hinter sich, erklärt der Verein «Netzwerk Asyl». «Sie haben eine mehrjährige Flucht hinter sich, während der sie auf sich alleine gestellt waren, missbraucht und ausgenutzt wurden. Sie sind traumatisiert.»
Im Aargau dauert gemäss Patrizia Bertschi vom Netzwerk Asyl diese Leidensgeschichte an. «Diese Jugendlichen sind in normalen Unterkünften, zum Teil bei Familien, zum Teil bei Männern. Es gibt keine besondere Betreuung, nix.» Damit verstosse der Kanton gegen die Uno-Kinderrechtskonvention, klagt Patrizia Bertschi an.
Sie werden behandelt wie die Erwachsenen.
Der Verein von Patrizia Bertschi fordert die Regierung deshalb auf, «unverzüglich» zu handeln. Die Forderungen:
- Spezielle Unterkünfte für jugendliche Asylsuchende
- Spezielle Bildungs- und Beschäftigungsprogramme
«Der Aargau muss das Rad nicht neu erfinden», betont Bertschi im Gespräch mit Radio SRF. «Andere Kantone wie Zürich, Luzern oder Graubünden haben auch solche speziellen Strukturen geschaffen.»
Das Problem sei nicht neu, allerdings etwas in Vergessenheit geraten, so Bertschi weiter. Nun scheint es wieder akut zu werden: Die Zahl der jugendlichen Flüchtlinge nimmt stetig zu, vor allem Jugendliche aus Eritrea kommen vermehrt in die Schweiz (SRF berichtete).
Bertschi erwartet Sofortmassnahmen der Regierung: Man könne die Jugendlichen vorläufig in einer bestehenden Unterkunft zusammenziehen, so ihre Idee. Der Verein «Netzwerk Asyl» will seine Forderung auch politisch vorbringen: Geplant sei ein Vorstoss im Kantonsparlament.
Doch die Forderung dürfte wirkungslos bleiben, zumindest vorerst. Denn beim Kantonalen Sozialdienst versichert die Leiterin Cornelia Breitschmid, dass man das Problem sehr wohl kenne. Doch: «Die Unterbringungsstrukturen können wir nicht ändern.»
Die aktuelle Lösung ist suboptimal.
Die Asylunterkünfte des Kantons seien aktuell zu 111 Prozent belegt, sie platzen also aus allen Nähten. Es sei daher schlicht nicht möglich, eine separate Unterkunft für Jugendliche anzubieten. Dass andere Kantone dies tun, weiss auch Cornelia Breitschmid. Doch: «Es gibt 26 Kantone und 26 Lösungen. Einige Kantone delegieren das Problem auch einfach an die Gemeinden. Das tun wir nicht.»
Breitschmid betont: «Wir tun alles, was möglich ist.» Sie wehrt sich gegen den Vorwurf, dass man jugendliche Asylsuchende überhaupt nicht separat betreue. Die aktuelle Lösung im Aargau sei differenziert:
- Jugendliche unter 16 Jahren werden bei Pflegefamilien, Institutionen oder Verwandten untergebracht
- Jugendliche über 16 Jahren müssen in «geeignete» kantonale Unterkünfte
- Jugendliche unter 16 Jahren besuchen die Schule
- Jugendliche über 16 Jahre stehen «zuoberst auf der Prioritätenliste» für Deutschkurse und Beschäftigungsprogramme
- Alleinreisende Jugendliche erhalten eine spezielle Betreuungsperson zugeteilt oder einen juristischen Beistand
Sofortmassnahmen sind also nicht in Sicht. «Wir sind froh, wenn wir überhaupt genügend Betten finden», so Breitschmid. Das Problem der jugendlichen Asylsuchenden sei aber den Behörden bekannt. Falls sich die Zahlen weiterhin nach oben entwickeln, muss wohl auch der Aargau eine langfristige und bessere Lösung suchen.