Begonnen hat alles mit einem ganz gewöhnlichen Vorgang: Im Sommer 2017 haben die Sozialpartner beim Kanton ein Gesuch für einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) eingereicht. Dieser sollte für die Maler- und Gipserbranche verlängert werden und zwar mit einer allgemeinverbindlichen Gültigkeit. Doch als die Behörde das Gesuch bearbeite, stiess man beim Kanton auf Ungereimtheiten.
«Bei der Prüfung stellten sich Fragen, die noch nicht beantwortet werden konnten; unter andrem auch bei den Vollzugskosten», sagt der zuständige Regierungsrat Thomas Weber. Es lagen nämlich drei verschiedene Gesamtarbeitsverträge vor: einer für Maler, einer für Gipser und der neuste für Maler und Gipser aus dem Jahr 2010.
Zwangsabgaben trotz fehlender Verbindlichkeit
Der neuste Gesamtarbeitsvertrag war jedoch nie für alle Gipser- und Malergeschäfte verbindlich. Denn es fehlte die so genannte Allgemeinverbindlichkeit. Trotzdem kassierten die Sozialpartner weiter munter Zwangsabgaben von allen Maler- und Gipserfirmen. Und dies ist brisant. Denn diese sogenannten Vollzugskosten gehen in die Millionen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlten dafür über ein Prozent der Lohnsumme, respektive ihres Lohns. Mit diesem Geld wurden Kontrollen des Gesamtarbeitsvertrags finanziert.
Markus Meier, Vizedirektor der Wirtschaftskammer und Geschäftsführer des Maler- und Gipserunternehmer Verbands, sieht darin kein Problem. Es seien alle drei Gesamtarbeitsverträge gültig gewesen und damit habe man auch die Zwangsabgaben zu Recht eingezogen.
Wenn das extra gemacht wurde, reden wir von Betrug. Wenn es aus Schlamperei passiert ist, riskiert man Rückforderungen in Millionenhöhe.
Thomas Geiser hingegen, emeritierter Professor für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen und Ehrendoktor der Universität Basel, widerspricht: Gültig sei nur der neuste Gesamtarbeitsvertrag, denn dieser enthalte eine Klausel, welche die beiden alten Gesamtarbeitsverträge aufhebe. Da der neue Gesamtarbeitsvertrag aber nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde, gilt es nicht für alle. Damit würde die Grundlage fehlen, um Vollzugskosten einzukassieren. «Das würde bedeuten, dass man diese Zahlungen zurückfordern kann.» Solche Rückforderungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern über acht Jahre zurück könnten in die Millionen gehen.
Millionenskandal oder formaljuristisches Problem?
Unklar ist, ob es sich dabei um ein formaljuristisches Problem handelt oder ob die Behörde hier auf einen Millionenskandal gestossen ist.
Der Fraktionspräsident der Grünen, Klaus Kirchmayr, hat jetzt ein ganzes Bündel Fragen eingereicht. «Wenn das extra gemacht wurde, reden wir von Betrug. Wenn es aus Schlamperei passiert ist, riskiert man Rückforderungen in Millionenhöhe.» Die Staatsanwaltschaft Baselland erklärt auf Anfrage, dass man von den Behörden bisher noch nicht informiert worden sei und deshalb auch noch kein Verfahren eröffnet habe.