Als Ur-Thuner ging man im «Prögu» zur Schule, lernte seine Frau idealerweise am Kadettenball kennen, scharf beobachtet von den alten Thuner Familien. Als Ur-Thuner rennt man der Narrenfigur «Fulehung» durch die ganze Stadt nach, hat im Knabenschützenhaus versucht, dem Gessler auf der anderen Strassenseite einen Armbrustbolzen ins Herz zu schiessen und man ist bis ins hohe Alter Ende September für nichts anderes zu haben als für Fulehung, Mehlsuppe im Morgengrauen, Ausschiesset und Jahrgängertreffen bis tief in die Nacht. Ein uralter, aber höchst lebendiger Thuner Brauch.
Eine neue Serie Armbrüste ist gebaut
Zur Ausstattung des Armbrustschützen-Corps der Thuner Kadetten, zu denen seit den 1960er-Jahren auch junge Frauen zugelassen sind, gehört seit 1839 die Armbrust. Über 100 Exemplare der zum Teil sehr alten Waffen hängen im historischen Knabenschützenhaus am Berntor. Das Armbrustschiessen an sich geht in der Stadt Thun auf das 16. Jahrhundert zurück.
Und jetzt haben 15 Ur-Thuner guten Grund, sich noch mehr auf die wichtigsten Thuner Tage zu freuen. Denn sie haben eine neue Thuner Armbrust erworben. Für jene, die dafür freudig 4'300 Franken in die Hand nehmen, ist es eine Herzensangelegenheit. «Weil 15 Kaufinteressierte zusammenkamen, startete die Kadettenkommission die Bestellung», bestätigt Markus Wind, der Leiter des Armbrustschützen-Corps der Thuner Kadetten. Wohl nächstes Jahr können sich die stolzen Armbrust-Besitzer am «Ehemaligenschiessen» messen.
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Bild 1 von 9. Wunderschöne Präzisionsmechanik: Der Abzugsmechanismus einer Thuner Armbrust. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 2 von 9. Die Veredelung eines Nussbaumholzstücks bis zum Schaft einer neuen Armbrust in der Thuner Drechslerei Bruni. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 3 von 9. Thuner Drechslermeister Hans-Jürg Bruni: So trägt ein Armbrustschütze seine Waffe korrekt. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 4 von 9. Büchsenmacher Horst Redies in seiner Werkstatt im Knabenschützenhaus. Er ist für alle mechanischen Teile der Armbrust zuständig. Im Hintergrund die Bogen-Sehnen aus Hanf. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 5 von 9. Markus Wind, Leiter des Armbrustschützen-Corps der Thuner Kadetten. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 6 von 9. Eine Armbrust zu spannen, braucht Kraft, Geschick und einen Spannhebel. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 7 von 9. Leandra Sauser mit Armbrust-Bolzen im Thuner Knabenschützenhaus. Das Kostüm stammt vom Empfang des deutschen Kaisers von 1912 – der dann in Thun doch keinen Zwischenhalt machte. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 8 von 9. Das historische Knabenschützenhaus am Thuner Berntorplatz: Hochbetrieb beim traditionsreichen «Ausschiesset» der Kadetten. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
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Bild 9 von 9. ...und das Ziel, 30 Meter weiter über der Strasse. Beim Gesslerschiessen hängt hier am «Täntsch» ein Bild des Tyrannen. Wer seit Herz trifft, hat gewonnen. Bildquelle: Christian Strübin/SRF.
Historischen Waffen nachempfunden
Auf 30 Meter Wettkampfdistanz treffen die jungen Thuner Schützinnen und Schützen immerhin auf eine Handbreite genau. Das Bild des Landvogts Gessler ist jedenfalls immer ordentlich gelöchert. Und ein Schuss ins Herz kostet ihn jedes Jahr aufs Neue das Leben.