Vor der neuen 113 Meter hohen Spitallamm-Mauer stehen zwei riesige frei stehende Kräne. Es sollen die grössten der Schweiz sein. Oben in der Führerkabine sitzt Edith Lutz. Der Aufstieg zu ihr führt über 334 Sprossen, auf 97 Meter Höhe. Die Aussicht von ihrem aussergewöhnlichen Arbeitsplatz ist atemberaubend.
Edith Lutz sitzt an langen Arbeitstagen zehn Stunden und mehr in ihrer Führerkabine. Allein. «Hier oben musst du mit dir selbst klarkommen.» Das müsse man aushalten können, sagt sie. Und das falle ihr nicht immer leicht.
Zum Beispiel, wenn es stark gewittere oder wenn dichter Nebel die ganze Umgebung in Weiss hülle. Da möchte sie am liebsten runter vom Kran. «Es gibt Momente, da willst du einfach nur hinunter.» Aber an solche Situationen müsse man sich halt gewöhnen.
Edith Lutz ist Anfang 30. Sie kommt aus Arbon am Bodensee, sie ist gelernte Bäcker-Konditorin. Im Beruf mochte sie nach der Lehre nicht bleiben. Sie wechselte in den Service eines Restaurants und dort sagte ihr ein Gast, dass sie das Zeug zur Kranführerin habe: Ruhe, Ordnung, Übersicht. Sie begann als Handlangerin auf dem Bau, lernte Kran fahren und wollte unbedingt auf die Baustelle an der Grimsel, unbedingt auf diesen riesigen, roten Kran.
Wenn ich nervös bin, ist auch der Kran nervös. Und wenn ich ruhig bin, ist auch der Kran ruhig.
Mit beiden Händen steuert Edith Lutz diese Maschine, die rund 600 Tonnen wiegt. Der Kran rumpelt und bewegt sich bei jeder Drehung oder wenn die Kranführerin Lasten hebt und absetzt. Für ihre Arbeit seien Übersicht, ein gutes Auge und eine ruhige Hand wichtig, sagt Edith Lutz. Emotionen vertrage der Kran nicht. «Wenn ich nervös bin, ist auch der Kran nervös. Und wenn ich ruhig bin, ist auch der Kran ruhig.»
Edith Lutz arbeitet ihre zweite Saison auf dieser Baustelle auf knappen 2000 Meter über Meer. Im Herbst ist die neue Staumauer fertig gebaut. Danach werden die riesigen Kräne demontiert und abtransportiert.