Männer, die tief unter der Erde arbeiten. Mit wenig Licht in niedrigen Stollen. So niedrig, dass sie teilweise kaum aufrecht gehen können. Hier schuften und schwitzen die Bergarbeiter bei ihrer Suche nach Gips: Solche Szenen spielten sich ab dem 18. Jahrhundert im schaffhausischen Schleitheim ab.
Jahrzehntelang galt die Gemeinde als «Gips-Zentrum» der Ostschweiz und des Schwarzwaldes, bis das Bergwerk im Zweiten Weltkrieg geschlossen wurde. Was aber geschah mit den unterirdischen Gängen?
Explosion auch ohne Zündschnur
Ein rund 200 Meter langer Stollen blieb in Schleitheim bis heute erhalten. Er gehört wie die meisten Bergwerke der Schweiz zu einem Museum. Die Besucherinnen und Besucher können auf einer Lokomotive ins Berginnere fahren – auf den Spuren der sogenannten Gipsmänner. «Diese sprengten den Rohstoff mit Schwarzpulver aus den Wänden», erklärt Daniel Schmid auf der Tour. Er präsidiert jenen Verein, welcher den Stollen heute als Museum unterhält.
Die Bergarbeiter waren bei ihrer Arbeit häufig kreativ. «Wenn sie keine Zündschnüre hatten, füllten sie einfach Strohhalme mit Schwarzpulver», sagt Schmid. Und schon funktionierte die Sprengung. Immer wieder trugen die Männer den Gips auch mit Hacken ab.
Die Gipsindustrie beschäftigte Arbeitskräfte weit über die Tätigkeit im Berg hinaus. Nur wenige Männer hätten jeweils gleichzeitig unterirdisch Gips abgebaut, erklärt Schmid. «Die meisten waren mit der Logistik beschäftigt», weiss er. Sie transportierten den Gips ins Freie, schichteten ihn auf und verarbeiteten ihn weiter.
Auch beispielsweise Schmiede, welche die Pferde für den Transport beschlugen, zählten zur Gipsindustrie. Der Rohstoff wurde hauptsächlich als Düngemittel für die Landwirtschaft gebraucht. Doch ab dem 20. Jahrhundert begann das Geschäft mit dem Gips zu bröckeln. Denn die Bauern setzten vermehrt auf Kunstdünger. Und als Baustoff konnte der Gips nicht mit der preiswerteren Konkurrenz mithalten.
Schweizer Bergwerke wären nicht rentabel
1944 kam schliesslich das Aus. Dieses Schicksal teilt sich das Schaffhauser Bergwerk mit fast allen anderen der Schweiz. Sie seien heute nicht mehr rentabel, sagt ETH-Geologe Stefan Heuberger. «Ein wirtschaftlicher Abbau lohnt sich sicherlich nicht mehr.» Die Auflagen beim Umweltschutz und der Raumplanung seien zudem in der Schweiz sehr hoch. «Dies macht den Abbau aufwändig.»
Doch auch zur Blütezeit waren Bergwerke im Vergleich mit Nachbarländern wie Österreich oder Italien in der Schweiz selten. Dies hängt laut Stefan Heuberger mit der unterschiedlichen Politik und Organisation zusammen. «In den europäischen Nachbarländern wurden schon vor über 150 Jahren nationale Bergbaugesetze erlassen», erklärt der Geologe. Rasch entstanden Einrichtungen, in denen der Bergbau auf nationaler Ebene erforscht wurde.
In der Schweiz war man lange sehr lokal und regional am Werk.
Anders war die Situation in der Schweiz. «Hier war man lange sehr lokal und regional am Werk», sagt Heuberger, «durch die kleinräumigen politischen Strukturen hat sich die überregionale Zusammenarbeit nicht durchsetzen können». Aber nur so rentiere sich das Geschäft.
Schweizweit gibt es heute weniger als hundert Bergwerke. Längst schuften keine Männer mehr dort in der Dunkelheit. Längst bringen sie nicht mehr Gips, Kohle oder Anthrazit ans Tageslicht. Doch Stollen, die bis heute zugänglich sind, erinnern an die Arbeit der zähen Bergarbeiter.