Die CVP Schweiz hat im November 2012 die Volksinitiative «Familien stärken!» eingereicht. Diese fordert zusätzliche Vergünstigungen für Familien durch die Steuerbefreiung von Kinder- und Ausbildungszulagen.
Der Ständerat hat sich zu Beginn der zweiten Sessionswoche als Zweitrat über die Vorlage gebeugt – und sie mit 27 zu 14 Stimmen abgelehnt. In der Sommersession hatte sich bereits der Nationalrat klar gegen die Volksinitiative ausgesprochen.
Gegenteil von Giesskannenprinzip
Roberto Zanetti, Solothurner SP-Ständerat und Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), eröffnete die Debatte in der kleinen Kammer. Seine Kommission hatte die Volksinitiative zur Ablehnung empfohlen.
Die Initiative zur Steuerbefreiung von Kinder- und Ausbildungszulagen sei gut, aber sie verhindere vielleicht Besseres, gab er zu bedenken. Denn eine steuerliche Freistellung erweise sich als zu wenig zielgerichtet.
Sie würde Familien mit höheren Einkommen stärker begünstigen, während Familien mit tieferen Einkommen kaum oder gar nicht profitieren würden. «Man kann der Initiative nicht den Gebrauch der Giesskanne vorwerfen», sagte Zanetti. Es würde mit dem Gartenschlauch in den Swimmingpool gespritzt – dorthin, wo es nicht nötig sei.
Besteuerung der Zulagen «widersinnig»
Die CVP-Ständeräte widersprachen dem Argument, dass nur die reichen Familien profitieren würden. Zwar bringe die Initiative sehr Einkommensschwachen nur wenig, aber diese würden auf anderen Ebenen entlastet. Ausserdem sei es widersinnig, wenn die Arbeitgeber jedes Jahr rund fünf Milliarden Franken in die Kinder- und Ausbildungszulagen steckten und der Staat eine Milliarde gleich wieder abschöpfe.
«59 Prozent der Kinder in unserem Land leben jedoch in Mittelstandsfamilien – und auf diese zielt die Initiative», sagte Minderheitssprecher Pirmin Bischof (CVP/SO).
Diese Familien würden zwar auf Bundesebene nur wenig profitieren, gab auch Urs Schwaller (CVP/FR) zu. Auf Kantons- und Gemeindeebene sehe es aber anders aus. Bischof schlug schliesslich noch den Bogen zur Zuwanderungsinitiative: Wenn es immer weniger Kinder gebe, gebe es mehr Zuwanderung, mahnte er.
Bundesrat gegen weitere Steuerabzüge
Auch der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Familien sollten weiterhin mit Instrumenten ausserhalb des Steuerrechts gefördert werden; etwa mit staatlich verbilligten Krankenkassenprämien, begründet er seinen Entscheid.
Aktuell bezahlten zudem rund 430'000 Haushalte mit Kindern keine direkte Bundessteuer. Das entspreche etwa der Hälfte aller Haushalte mit Kindern. Diese Familien könnten auf dieser Stufe nicht weiter entlastet werden, gab er zu bedenken.
Dem geringen Nutzen stünden die finanziellen Auswirkungen einer Steuerbefreiung der Zulagen gegenüber, argumentierte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Bei der direkten Bundessteuer hätte eine Annahme der Initiative jährlich rund 200 Millionen Franken Mindereinnahmen zur Folge. Bei den Kantons- und Gemeindesteuern wäre mit Ausfällen von rund 760 Millionen Franken zu rechnen.
Erste Volksinitiative seit fast 100 Jahren
Auch im Nationalrat kam ein Gegenvorschlag für eine breite Front von rechts bis links nicht in Frage. Immerhin ein kleines Trostpflaster gab der Nationalrat der mit wehenden Fahnen unterlegenen CVP mit: Der Bundesrat soll zunächst eine Auslegeordnung erstellen und zeigen, wie er Familien mit Kindern finanziell unterstützen oder entlasten will. Der Nationalrat überwies ein entsprechendes Postulat.
Ihre Familien-Initiative hatte die CVP im November 2012 zusammen mit der Initiative gegen die Heiratsstrafe eingereicht. Es war das erste Mal seit knapp hundert Jahren, dass die Partei eine Volksinitiative zustande gebracht hatte.