Nach der Fehlzündung in der letzten Herbstsession nahm der Ständerat heute einen neuen Anlauf zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds, kurz NAF. Analog zum Fabi beim Schienenverkehr soll er Finanzierung und Unterhalt des Strassenverkehrs langfristig sichern. Der NAF an sich ist in der Kleinen Kammer nicht umstritten, wohl aber dessen Finanzierung.
Und die heutige Debatte zeigte: Über allem schwebt die Milchkuh-Initiative, über die am 5. Juni abgestimmt wird. Die Ständeräte leiten Gelder aus der Bundeskasse in die neue Kasse für den Strassenbau um. Damit soll die Volksinitiative der Auto-Lobby ausgebremst werden.
- Das Resultat: Milde mit den Autofahrern
Die Autofahrer sollen nach den Plänen des Ständerats geschont werden. Der Bundesrat wollte den Mineralölsteuerzuschlag eigentlich um 15 Rappen auf 45 Rappen anheben. Dieser Zuschlag ist letztmals 1974 erhöht worden.
In der Vernehmlassung hagelte es Kritik, weshalb der Bundesrat eine Erhöhung um vorerst 6 Rappen vorschlug. Eine bürgerliche Mehrheit im Rat will den Zuschlag nun bloss um 4 Rappen erhöhen.
Den dadurch verursachten Einnahmeausfall wollen die Räte aus der Bundeskasse decken. Die Hälfte der Erträge der Mineralölsteuer sind ohnehin schon der Strasse gewidmet.
Die Milchkuh-Initiative fordert eine strikte Verwendung der Erlöse der Mineralölsteuer für die Strasse – das würde ein Loch von 1,5 Milliarden Franken in die Bundeskasse reissen. Bürgerliche Räte plädierten für ein taktisches Einlenken: Sie wollen zusätzliche 5 Prozent für den Fonds abzweigen. Das wären weitere 125 Millionen Franken pro Jahr, die dem Bund entgehen.
- Die Debatte: Drohkulisse der Milchkuh-Initiative
Zu Reden gaben denn auch vorderhand die Konzessionen an die Auto-Lobby: «Wenn man die Milchkuh nicht aus dem Stall lassen will, muss man den Initianten entgegenkommen», sagte Thomas Hefti (FDP/GL).
Eben dies kritisierte Paul Rechsteiner (SP/SG) scharf: «Jetzt wurde ein Vorlage ausgearbeitet, die die Milchkuh-Initiative in Teilen realisiert. Leidtragende ist die Bundeskasse. Das ist aus taktischen Gründen verständlich. Weitsichtig ist das aber nicht.»
Konrad Graber (CVP/LU) sprach derweil von einem «Viehmarkt, auf dem die Initianten der Milchkuh-Initiative noch so viel wie möglich herausschlagen wollen.» Wenn das Fuder aber nicht überladen werde, könne er mit dem Entgegenkommen leben – auch mit Sicht auf die Abstimmung über den NAF. Denn auch hier wird das Volk letzte Wort haben.
Verkehrministerin Doris Leuthard zeigte sich wenig begeistert über die «verantwortungslose Milchkuh-Initiative»: «Ohnehin sind die Autofahrer keine Milchkühe. Benzin wird immer günstiger, der Verbrauch sinkt, die Steuern sind seit vierzig Jahren nicht mehr an die Teuerung angepasst worden.»
Immerhin hätten die Räte nun vernünftige Lösungen ausgearbeitet, schloss die Bundesrätin: «Die Vorschläge der Kommissionsmehrheit sind fair für die Autofahrer.»
Der NAF in Kürze
Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen sollen analog zur Fabi-Vorlage unbefristet geregelt werden. Hinter dem NAF verbirgt sich ein bunter Strauss an Finanzierungs- und Sparmassnahmen: Der Mineralölsteuerzuschlag von knapp 2 Milliarden Franken, die Einnahmen aus der Autobahnvignette von rund 320 Millionen Franken, die Einnahmen der Importsteuer auf Autos von 375 Millionen Franken und ab 2020 eine neue Abgabe für Elektrofahrzeuge. Insgesamt würden so rund 3 Milliarden Franken zusammenkommen. Ohne neue Einnahmequellen droht ab 2017 eine Finanzierungslücke von 1,2 Milliarden Franken pro Jahr. Grund dafür ist, dass die Kosten steigen, nicht zuletzt wegen des Alters der Nationalstrassen und des hohen Verkehrsaufkommens. Gleichzeitig sinken die Einnahmen aus Treibstoffsteuern, weil die Autos immer sparsamer werden. |