FDP, CVP, Grünliberale, BDP, Grüne, SP – gemeinsam haben sich die Parteien gegen die SVP gestellt und sich in der vorberatenden Kommission des Nationalrats durchgesetzt. Der Vorschlag des Bundesrats sah noch vor, dass er im Notfall Kontingente und Höchstzahlen unilateral einführen kann – also ohne Einverständnis der EU. Die Kommission spricht ihm diese Kompetenz nun ab. «Die Wirtschaft braucht Gewissheit, dass wir die Bilateralen nicht gefährden», sagt Kurt Fluri stellvertretend für die Mehrheit der Kommission.
SVP allein auf weiter Flur – Referendums-Entscheid im Dezember
Unzufrieden mit dem Vorschlag der Kommission zeigt sich einzig die SVP. «Diese Lösung ist nichts», sagt Parteipräsident Albert Rösti. Die Kommission sei in keiner Weise auf den Verfassungsauftrag der Initiative eingegangen und ignoriere die negativen Konsequenzen der Einwanderung auf skandalöse Weise.
Ob seine Partei gegen ein Gesetz im Sinne des Kommissions-Vorschlags das Referendum ergreifen werde, sei noch nicht entschieden: «Diesen Entscheid fällen wir nach der parlamentarischen Debatte im Dezember. Dann müssen wir sehen, ob ein Referendum überhaupt etwas bringen würde.» Mit einem Referendum sei man am Schluss wieder am Ausgangspunkt, so Rösti. Die Partei habe jedoch immer gesagt, dass sie ohne Steuerung der Zuwanderung eine Initiative zur Personenfreizügigkeit lancieren werde.
Unzufrieden zeigt sich auch Nationalrat Roger Köppel in der Sendung «10vor10». Was die Kommission entschieden habe, werde die Zuwanderung um 5000 oder 10‘000 begrenzen. Das sei nichts. Was jetzt gemacht wurde, sei das Ende der direkten Demokratie.
Alle anderen sind zufrieden
Auf der anderen Seite schreibt die SP, die Kommission hätte einen «guten Kompromiss» erarbeitet. Die bilateralen Verträge dürften auf keinen Fall gefährdet werden.
Die CVP schreibt sogar, sie habe das vorliegende Konzept erarbeitet. Dementsprechend zufrieden zeigt sich auch die Mittepartei. Die Lösung entspreche dem Willen der Kantone und ermögliche es, dort Abhilfemassnahmen zu beschliessen, wo sie nötig seien.
Auch die GLP hält sich zugute, massgeblich zu diesem Kompromiss beigetragen zu haben. Sie schreibt, es sei ein gutschweizerischer Kompromiss und ermögliche die «wichtige» Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien.
Zufrieden sei auch die BDP, schreibt sie. Gleichzeitig deponiert sie bereits jetzt ihre nächsten Forderungen. So möchte sie längere Kurzaufenthaltsbewilligungen, um den Tourismus und die Bauwirtschaft zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
Auch die FDP begrüsst den Kommissionsvorschlag. Es handle sich um die «FDP-Lösung», sagte Fraktionspräsident Ignazio Cassis nach einer Sitzung am frühen Abend. Damit werde die Zuwanderung vom Arbeitsmarkt gesteuert und nicht von der Politik.
Allerdings stellte sich die FDP-Fraktion nicht geschlossen hinter die Kommissionsbeschlüsse. Einige wenige Mitglieder hätten sich dagegen ausgesprochen, räumte Cassis ein. Das ist insofern bedeutsam, als Abweichler bei den knappen Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat einer anderen Lösung zum Durchbruch verhelfen könnten.
Positive Reaktion der Wirtschaftsverbände
Bei den Wirtschaftsverbänden kommt der Kommissions-Vorschlag grundsätzlich gut an. Sowohl Arbeitgeberverband (SAV) als auch Gewerbeverband (sgv) begrüssen den Entscheid.
Die Stärkung des Inländervorrangs sei der richtige Weg, schreiben beide Verbände. Allerdings müsse dieser möglichst unbürokratisch umgesetzt werden. Als positiv wertet der Gewerbeverband zudem, dass Studierende nicht als Zuwanderer gelten sollten. Damit bleibe der Bildungsstandort Schweiz gestärkt.
Gewerkschaften verhalten positiv
Verhalten positiv fallen die Reaktionen der Arbeitnehmervertreter aus. Positiv werten der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und die Gewerkschaft Unia, dass keine Kontingente eingeführt werden sollen.
Handlungsbedarf sehen beide aber bei den flankierenden Massnahmen. Das knappe Ja zur Zuwanderungsinitiative habe gezeigt, dass sich viele Berufstätige in der Schweiz Sorgen um Löhne und Arbeitsplätze machten. Es brauche deshalb unter anderem mehr Lohnkontrollen und einen besseren Kündigungsschutz, besonders für ältere Arbeitnehmer.