Das Bezirksgericht Zürich hat den deutschen Komiker Karl Dall vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Die Beweislage reiche nicht für eine Verurteilung aus, befand das Gericht.
In der Verhandlung am Nachmittag hatte der Staatsanwalt eine Verurteilung von Karl Dall wegen Vergewaltigung und versuchter Nötigung verlangt. Es stehe zwar Aussage gegen Aussage. Doch die Angaben, welche die Geschädigte bei den Einvernahmen gemacht habe, seien durchaus plausibel, meinte der Staatsanwalt. Die heimlich gemachte Tonaufnahme, auf der Dall der Geschädigten attestierte, sie sei «eine Granate im Bett», belege deutlich, dass es Sex gegeben habe.
Die Erklärung Dalls, dass er dieses Kompliment gemacht habe, damit die Frau endlich Ruhe gebe, sei nicht glaubhaft. Zweifellos habe die Geschädigte «mehr oder weniger zwanghaft» die Nähe zu Prominenten gesucht. Das mache ihre Aussagen aber nicht weniger glaubhaft, sagte der Staatsanwalt. Der Anwalt der mutmasslich Geschädigten forderte Schadenersatz in der Höhe von 32'000 Franken und eine Genugtuung von 20'000 Franken.
Darstellungen der Tatnacht gehen weit auseinander
Im Prozess gegen den deutschen Entertainer ging es um einen angeblichen Übergriff auf eine Journalistin in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2013. Unbestritten ist, dass der 73-Jährige die Frau auf seine Zürcher Hotelsuite mitgenommen hat. Was dann passierte, darüber gingen die Darstellungen weit auseinander.
Das mutmassliche Opfer machte geltend, dass Dall gegen ihren Willen mit ihr geschlafen habe. «Es war die schlimmste Nacht meines Lebens», sagte die 43-Jährige vor Gericht. Dall betonte dagegen, dass es nie zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Im Gegenteil. Die Frau sei in der Hotelsuite zudringlich geworden. «Ich kenne das sonst gar nicht. Ich bin ja nicht George Clooney», sagte Dall.
Dall gibt bereitwillig Auskunft
Der Angeklagte machte vor Gericht einen gefassten, sicheren Eindruck und gab bereitwillig Auskunft. Seit einer Prostata-Operation habe er mit gewissen Einschränkungen zu kämpfen. Er sei nicht impotent, betonte der 73-Jährige. Aber es klappe natürlich nicht mehr wie vorher. Es sei aber ohnehin nichts vorgefallen, kein Geschlechtsverkehr, geschweige denn eine Gewalttat.
Er habe die Frau in der fraglichen Nacht nur einmal angefasst: Als er sie sanft aus der Suite des Zürcher Hotels habe entfernen wollen. Sie sei aber völlig ausgeflippt, habe herumgeschrien und ihn beschimpft. Dann habe sie ihn plötzlich wieder abknutschen wollen, ihm ihre Brüste gezeigt und ihm in den Schritt gefasst. «Ich sagte ihr, sie soll damit aufhören.» Irgendwann sei er - nicht mehr ganz nüchtern - ins Bett gegangen und habe schlafen wollen. Dass er sie gegen Morgen dann vergewaltigt habe, das stimme alles nicht.
Journalistin hält an ihren Aussagen fest
Die Anzeige-Erstatterin war bei der Befragung vom Dienstag am Zürcher Bezirksgericht bei ihren Aussagen geblieben. Herr Dall sei für sie ein alter Mann gewesen, sagte sie vor Gericht. Er habe ihr E-Mails geschickt, in denen Dall ihr sogar geschrieben habe, dass er nicht mehr ohne sie sein könne. Nachdem sie den Abend miteinander verbracht hatten - zuerst in der Bar und dann im Casino - sei er im Hotel aber zu einem «anderen Menschen geworden».
Nachdem sie sich schlafen gelegt hätten, sei er plötzlich mit seinem ganzen Gewicht auf ihr gelegen. «Er kam mir plötzlich vor wie ein Tier.» Nach einer kurzen Rangelei sei es ihm gelungen, in sie einzudringen. Danach sei er im Bad verschwunden. Die Journalistin machte ihre Aussagen mit zittriger Stimme. Einmal musste die Befragung unterbrochen werden, damit sie sich wieder beruhigen konnte. Die Anzeige-Erstatterin ist seit Jahren in psychologischer Behandlung. Sie leidet unter Panikattacken.
Auch als Stalkerin bekannt
Die Journalistin ist kein unbeschriebenes Blatt. In den vergangenen Jahren stalkte sie zahlreiche Prominente, darunter Udo Jürgens und Jürgen Drews. Auch Schweizer Politiker wurden von ihr belästigt.
Wie am Dienstag vor Gericht bekannt wurde, ist ihre Anzeige nicht die einzige in diesem Fall: Der 73-jährige Dall reichte mittlerweile auch Anzeige gegen das mutmassliche Opfer ein. Dies, weil die Frau in der fraglichen Nacht heimlich Gespräche aufgezeichnet und das Hotelzimmer fotografiert hatte. Ein weiteres Verfahren könnte auf sie zukommen, weil sie jemanden fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt hat.