- Bis 2023 werden mehrere hundert Bahnhöfe für Behinderte weiterhin nur mit fremder Hilfe zugänglich sein.
- 40 Bahnhöfe werden oder wurden ganz geschlossen – Bahnen stufen den Umbau als unverhältnismässig ein.
- Das Bundesamt für Verkehr stellt eine massive Finanzspritze bereit, damit mehr Bahnhöfe rechtzeitig behindertengerecht werden.
Bis Ende 2023 müssen alle 1800 Schweizer Bahnhöfe behindertengerecht sein – so schreibt es das Behindertengleichstellungsgesetz vor. Das heisst: SBB, BLS und Co. müssen ebenerdige Einstiege für Rollstuhlfahrer, Markierungen für Sehbehinderte oder notfalls Einstiegshilfen durchs Personal anbieten.
Erst 800 von 1800 Bahnhöfen behindertengerecht
Das Bundesamt für Verkehr BAV bestätigt auf Anfrage der «Rundschau», dass heute erst 800 der 1800 Bahnhöfe gesetzeskonform umgebaut worden sind. BAV-Direktor Peter Füglistaler spricht im Interview mit der «Rundschau» Klartext: «Wir erwarten, dass sich die Bahnen mehr anstrengen als bisher. Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, dass Bahnhöfe geschlossen werden. Aber es gibt Grenzen, was man zahlen will und kann.»
Die Übersicht über alle Bahnhöfe der Schweiz
Ob Ihr persönlicher Bahnhof bereits behindertenfreundlich umgebaut wurde oder noch wird, finden Sie heraus, indem Sie oben rechts nach dem Namen des Bahnhofs suchen:
40 Bahnhöfe vor dem Aus
Die «Rundschau» hat das aktuelle Umsetzungskonzept des BAV ausgewertet. Der Bund listet aktuell 30 Bahnhöfe von Privatbahnen auf, die statt behindertengerecht umgebaut, entweder bereits geschlossen wurden oder noch geschlossen werden. Meist handelt es sich um kleine Haltestellen von Bahnen wie etwa der BLS oder der Südostbahn. Bei der SBB rechnet man mit der Aufhebung von 10 bis 15 Haltestellen.
SBB-Sprecher Christian Ginsig: «Wir werden das Gesetz bis 2023 erfüllen», räumt aber ein: «Einzelne wenige Haltepunkte, welche kaum Nutzer aufweisen, könnten ganz aufgehoben werden.» Welche Bahnhöfe es trifft, stehe noch nicht fest. Die SBB rechnet, 200 ihrer 795 Bahnhöfe baulich nicht ans Behindertengleichstellungsgesetz anpassen zu können – etwa weil sie in einer Kurve liegen. Das Gesetz sieht solche Ausnahmen vor, wenn sie «verhältnismässig» sind.
Bund investiert weitere 2 Milliarden Franken
Das BAV erhöht jetzt den Druck auf die Eisenbahnbetriebe, bei den Umbauten vorwärts zu machen. BAV-Direktor Füglistaler kündigt exklusiv in der «Rundschau» ein milliardenschweres Investitionsprogramm an. «Wir beantragen dem Parlament, zusätzliche zwei Milliarden Franken für die Jahre 2021 bis 2024 zu genehmigen, damit auch kleinere Bahnhöfe behindertengerecht umgebaut werden können.»
Diese zwei Milliarden Franken will der Bund aus dem bereits finanzierten Bahninfrastruktur-Fonds nehmen. Schon im laufenden Investitionsprogramm (2017-2021) investiert der Bund 2 Milliarden Franken. Denn von flächendeckend rollstuhlgerechten Haltestellen profitieren alle Passagiere – besonders Reisende mit Kinderwagen oder ältere Menschen.