Fast einen Drittel weniger Miete (durchschnittlich 28 Prozent) bezahlen jene, die in einer Baugenossenschaft wohnen gegenüber anderen Mietern. Das zeigt eine Untersuchung des Immobilien-Beraters IAZI, welche der SRF Rundschau vorliegt. Auf ähnliche Zahlen kommen auch die Immobilienexperten von Wüest Partner.
Hohe Gewinnspanne bei Renditeobjekten
Das Pech der «anderen» Mieter: Ihre Wohnungen sind «Renditeobjekte». Im Gegensatz zu Baugenossenschaften, welche keinen Gewinn aus den Mieten ziehen (Kostenmiete), bezahlen Mieter von Marktwohnungen mit dem Mietzins auch einen Gewinn. Und diese Gewinnspanne zugunsten des Vermieters kann zwischen 10 bis über 30 Prozent des Mietzinses ausmachen.
«Im Moment ist diese Gewinnerwartung für Wohnliegenschaften sogar eher tief», sagt Robert Weinert von Wüest Partner, welcher eine Modellrechnung für SRF erstellen liess (siehe Tabelle). Für SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (ZH) ist deshalb klar: «Eigentlich sollte jeder in einer Genossenschaft wohnen können, die Mieter würden Milliarden sparen.»
Modellrechnung: Monatsmiete Renditewohnung und Genossenschaft
Renditewohnung (Nettorendite 3 Prozent) | Genossenschaft (Kapitalverzinsung 2,5 Prozent) |
neue 4.5-Zimmerwohnung, 120 m2 | neue 4.5-Zimmerwohnung, 120 m2 |
Monatsmiete: 2950 Franken | Monatsmiete: 2530 Franken (-13.2%) dank Kostenmiete |
Monatsmiete: 2450 Franken (-16.1% addiert) dank kleinerer Wohnung, tieferer Baukosten | |
Monatsmiete: 2180 Franken (-25.2% addiert) tiefere Landkosten z.B. dank Baurecht |
Teurer Boden, mehr Gewinn
Nicht nur die sogenannte Kostenmiete drückt aber die Mietpreise der Genossenschafter. Preismildernd wirkt auch, dass Genossenschaftswohnungen im Durchschnitt kleiner sind als andere Marktwohnungen. Sie verbrauchen so insgesamt weniger Baugrund, was die Miete günstiger macht.
Ältere Genossenschaftssiedlungen stehen zudem auf Land, dass über Jahrzehnte nicht mehr verkauft und so dem Markt entzogen wurde. Die Folge: Der Boden dieser Liegenschaften ist nicht durch wiederholte Verkäufe (Stichwort Spekulation) teurer geworden, die Mieten bleiben günstig.
Denn der steigende Bodenpreis – im Kanton Zürich wird Bauland jährlich um 4.2 Prozent teurer – macht fast jede neue Wohnung automatisch teurer als vergleichbare ältere.
Eine Zweiklassengesellschaft?
Und so steigen die Mieten in der Schweiz kontinuierlich – Glück hat, wer in einer Genossenschaft unterkommt. Zumal diese Preissenkungen dank des tiefen Referenzzinssatzes automatisch an ihre Mieter weitergeben. Besitzer von Renditeliegenschaften tun das oft nur, wenn die Mieter dies selber einfordern.
Eine Zweiklassengesellschaft? Tatsächlich kann, wer in einer Baugenossenschaft unterkommt, mehrere Tausend Franken pro Jahr sparen verglichen mit jenen, welche eine gewinnorientierte Wohnung mieten.
In den Städten ist die Forderung nach preisgünstigem Wohnraum gross.
Mehr günstigen Wohnungen fordern deshalb 130 politische Vorstösse, welche zur Zeit in Kantonen und Gemeinden hängig sind. Dies haben Immobilienberater von IAZI in den Kantonen und Gemeinden erhoben. «In den Städten, wo sich die Arbeitsplätze konzentrieren und die Platzverhältnisse besonders begrenzt sind, ist auch die Forderung nach preisgünstigem Wohnraum gross. Ausserdem beobachten wir, dass Anliegen, die in einem Parlament eingereicht werden, kurze Zeit später auch in anderen Parlamenten eingereicht werden», sagt Stefan Brüesch von IAZI.
Städte gehen voran
Grosse Städte wie Basel, Zürich und Bern gehen voran. In allen drei Städten sind Volksinitiativen bereits angenommen worden, welche direkt oder indirekt für mehr nicht-gewinnorientierte und damit günstigere Wohnungen sorgen sollen. 76 Prozent zum Beispiel sagten in Zürich ja dazu, dass die Stadt den Anteil von Genossenschaftswohnungen auf einen Drittel aller Wohnungen erhöhen soll.
In Bern müssen Bauherren von Grossüberbauungen künftig einen Drittel ihrer Wohnungen in der Kostenmiete vermieten (72 Prozent Ja-Stimmen, eine Stimmrechtsbeschwerde ist noch hängig). Und in Basel (67 Prozent Ja) ist eine Initiative angenommen worden, welche der Stadt den Verkauf von Bauland fast verbietet: Die Stadt darf ihr Bauland nur noch verpachten, das kann die Bodenspekulation einbremsen.
Dieses System nennt sich Baurecht: Man gibt jemanden das Recht, auf gemeindeeigenem Land zu bauen. Traditionell kommen Genossenschaften dank Gewinnverzicht (Kostenmiete) eher zu solchem Baurechtsland als gewinnorientierte Bauherren.
Dank «Baurecht» günstigere Wohnungen
Die Stadtluzerner Stimmberechtigten haben Ende September mit 69 Prozent Ja ebenfalls eine Initiative angenommen, welche den Verkauf von städtischem Bauland verbietet. «Wenn wir unseren Boden nur noch im Baurecht verpachten, ist er der Spekulation entzogen, es kommen mehr Baugenossenschaften zu Land und die nächste Generation kann an der Urne mitbestimmen, was mit dem Land geschehen soll», begründet Mitinitiant Marco Müller (Grüne) die erfolgreiche Initiative.
Run auf Genossenschaftswohnungen
Alain Chaney von Wüest Partner sieht noch einen weiteren Vorteil in der Verpachtung von gemeindeeigenem Bauland: «Gemeinden können so mehr Einfluss darauf nehmen, was und wie gebaut wird. Das dient dem Trend hin zur Verdichtung, auch das macht Wohnraum günstiger.»
Genossenschaften im Trend also – und dennoch: Platz in einer günstigen Genossenschaft hat es lange nicht für alle. Nur knapp 10 Prozent aller Mietwohnungen schweizweit gehören Baugenossenschaften. Und wer in einer Genossenschaftswohnung unterkommt, bestimmen die Genossenschafter als private Körperschaften selber.
Glossar
Baugenossenschaft: Private Körperschaft mit dem Zweck, eigenen Wohnraum (Häuser) zu erstellen und den Genossenschaftsmitgliedern zu vermieten. Genossenschaften streben keinen Gewinn an. Genossenschaften sind nicht Teile des Staates, eine Minderheit erhält aber staatliche Subventionen. |
IAZI: Privates Unternehmen für Immobilieninvestoren. |
Wüest Partner: Privates Unternehmen für Immobilien- und Baumarktberatung. |
Renditeobjekte: Häuser/Wohnungen (Mietobjekte und Eigentum) welche mit dem Zweck erstellt und bewirtschaftet werden, dass der Eigentümer Gewinn (Rendite) aus Vermietung oder Verkauft erzielt. |
Kostenmiete: Wird von Genossenschaften und auch Stiftungen angewendet: Aus der Vermietung wird kein Gewinn abgeführt, sondern nur die Kosten bezahlt. Kosten sind: Bauerstellung, Landkosten, Unterhalt, Amortisation. |
Referenzzins: Der Referenzzins wird vom Bundesamt für Wohnungswesen errechnet und basiert auf einem Durchschnitt der Hypothekarforderungen der Banken in der Schweiz. Er ist ein wichtiger Faktor der Mietzinsberechnung: Steigt der Referenzzins, steigen die Mieten, sinkt er, sinken auch die Mieten. |