Das Wichtigste in Kürze:
- Im Parlament geht das Seilziehen um die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie in die heisse Phase.
- Ein Schweizer Nein könnte weitreichende Folgen haben für die Fahndung nach Kriminellen und Verdächtigen und die Suche nach gestohlenen Fahrzeugen und Ausweisen.
- Ob die Schweiz tatsächlich aus dem Schengener Fahndungssystem ausgeschlossen und die Polizeiarbeit damit um Jahre zurückgeworfen würde, ist allerdings umstritten.
Benedikt Scherer kann sich noch gut an diesen Dienstag erinnern. Am 12. August 2008 legten die IT-Spezialisten im Bundesamt für Polizei, im Fedpol, den Schalter um: Die Schweiz war angeschlossen ans Schengen-Informationssystem (SIS). Polizei-Offizier Scherer hatte diese Umstellung koordiniert und stand gebannt vor den Computer-Bildschirmen: «Von einer Sekunde auf die andere sahen wir alle Fahndungen, die in Europa laufen. Das war ein schöner Moment».
Immer mehr Fahndungs-Treffer
Das Schengener Informationssystem liefert seither regelmässig und immer mehr Fahndungstreffer. Im System sind Personen, die polizeilich gesucht werden oder vermisst sind. Registriert werden aber auch verlorene Identitätskarten, gestohlene Waffen oder gesuchte Autos.
Wird etwa eine Frau, die in der Schweiz gesucht wird, in einem zyprischen Hafen kontrolliert und identifiziert, wissen das die Schweizer Behörden innert Sekunden. «Fahndung ist heute ein Minutengeschäft», sagt Scherer. Er ist der «Mister Schengen» beim Fedpol, leitet den Bereich internationale Polizeizusammenarbeit.
Rückfall in die 90er-Jahre?
Würde das SIS wegfallen, sagt er, würde die Polizei um Jahre zurückgeworfen. Scherer weiss wovon er spricht. Er war schon in den 90er-Jahren Fahnder – in Zürich während der Zeit der offenen Drogenszene.
Nur schon dafür zu sorgen, dass eine verdächtige Person im Ausland gesucht wird, war damals ein Prozess, der mehrere Tage dauerte. «Jedes Land musste die gesuchte Person quasi von Hand zur Fahndung ausschreiben. Und wir wussten am Ende doch nicht, ob das wirklich geschehen ist», erinnert er sich.
Ein «Sicherheitsloch mitten in Europa»?
Einen befriedigenden Plan B kennt Scherer nicht für den Fall, dass die Schweiz wirklich aus dem Schengenraum fliegen würde, weil sie die EU-Waffenrichtlinie nicht umsetzt. «Ich wüsste heute nicht, wie wir das so auffangen könnten, dass wir die gleiche Qualität und Quantität bei der Fahndung behielten». Vielmehr, so befürchtet Scherer, könnte die Schweiz zu einem «Sicherheitsloch mitten in Europa» werden.
Ob es wirklich so weit käme, ist umstritten. Die Gegner der Anpassung ans EU-Waffenrecht, allen voran die Schützen, sprechen von einer übertriebenen Drohkulisse. Und SRF-EU-Korrespondent Oliver Washington sagt, ein Ausschluss der Schweiz aus «Schengen» halte er für kein realistisches Szenario. «Das gäbe eine Lücke im Schengen-System. Und das kann nicht im Interesse der EU sein.»
Ein Ausschluss der Schweiz aus dem Schengen-System halte ich für kein realistisches Szenario.
Der Ball liegt jetzt beim Parlament
Wie die Umsetzung der Waffenrichtlinie aussieht, ist erst nach der parlamentarischen Beratung klar. Zunächst ist jetzt der Nationalrat am Zug, dann im Herbst der Ständerat. Gut möglich ist zudem, dass das Volk das letzte Wort hat. Dann, wenn die Schützen das Referendum ergreifen.