«Personal Data is the new currency» – Persönliche Daten sind die neue Währung des 21. Jahrhunderts. Das sagte Meglena Kuneva, seinerzeit EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, bereits im Jahr 2009.
Dass unsere Daten viel wert sind, erweist sich alleine schon beim Blick auf die Börsenkotierung von Facebook, Google & Co.. Alle drei Datenhändler sind Milliarden-Unternehmen.
Big Data – ein Reibach für Sammler
Der Umgang mit Big Data hat dabei erst begonnen. Die deutsche Gesundheitswissenschaftlerin Annemarie Schultz rechnet in ihrem Buch «Ökonomische Relevanz von Big Data» bis ins Jahr 2020 mit 2 Terabyte (vgl. Box) an gesammelten Daten pro Jahr und Bürger.
Professor Ernst Hafen von der ETH Zürich liefert die Marktzahlen dazu. «Bis im Jahr 2020 rechnen wir mit einem weltweiten Marktvolumen von einer Billion Euro», sagt der Professor für molekulare Systembiologie an der ETH Zürich im Interview mit SRF News.
Was für die einen ein Geldsegen ist, könnte für die anderen zusehends zur Hypothek werden. «Bereits heute haben wir die Kontrolle über unsere persönlichen, nicht-medizinischen Daten verloren», gibt Hafen zu bedenken. Die Rede ist von unseren digitalen Spuren auf Facebook, Google und all unseren Apps.
Verlören wir nun aber auch noch die Kontrolle über unsere medizinischen Daten, ist Hafen überzeugt, würde die Abhängigkeit noch weit grösser.
Dabei steckt der Bürger in einem Dilemma, wie Prof. Joachim Buhmann im Wissenschaftsmagazin des Schweizer Radios erklärt. Zum einen könnten zwar bessere Therapieentscheide getroffen werden, gleichzeitig könnten aber auch Versicherer die Daten nutzen, um ihre eigenen Risiken zu minimieren – und das wohl primär eher zum Wohl der Aktionäre.
Wohin dieses Gewinndenken führen kann, zeigt das Beispiel der Firma Cambridge Analytica. Das kalifornische Unternehmen ermittelt aus Facebook-Statusmeldungen und den Angaben eines Ocean-Persönlichkeitstests die psychologischen Merkmale tausender Nutzer. Für die Werbeindustrie das schiere Nirvana.
Die Spitäler rüsten auf
In der Schweiz ist die Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten. Die Ankündigungen der SBB (Swiss Pass) und der Post Finance, Kundendaten ungefragt an Dritte weiterzuverkaufen, erwies sich in der Bevölkerung als reputativer Bumerang für die beiden Unternehmen.
Pfleglicher gehen Migros und Coop mit ihren Kundendaten um. Und auch die Schweizer Gesundheitsversicherer sind sich der Brisanz des Themas durchaus bewusst.
Dennoch wird der Trend auch hierzulande nicht verschlafen. Viele Spitäler beginnen damit, Patienten-Daten für die weitere Verwendung in der Forschung aufzubereiten.
So lancieren die ETH Zürich und Lausanne derzeit ein Schweizer Datencenter. Und auch der Unispital Zürich sammelt auf Teufel komm raus, genauso wie das Inselspital in Bern. Dort betreibt ein Team um Carlo Largiadèr eine Flüssig-Bio-Bank.
Sie sammeln Blut-Serum und Plasma und sequenzieren daraus das Genom. Diese Daten können dann auch an andere Spitäler und an die Pharmaindustrie weitergegeben werden.
Diese Daten sind zwar anonymisiert und mehrfach gesichert. Aber diese Sicherheit trügt. So ist es einem Team des «Data Privacy Lab» der Harvard-Universität gelungen, anonymisierte Daten aus einem Genom-Projekt der gleichen Uni zu de-anonymisieren. Durch Big-Data-Analysen konnten die Forscher ohne grosse Anstrengung 40 Prozent der vormals anonymen Studienteilnehmer eindeutig identifizieren.
Wir müssen uns aus der digitalen Leibeigenschaft befreien.
Weit spannender aber als der enge Blick durch die Missbrauchs-Brille ist darum derjenige auf die Vorteile und Chancen dieser «neuen Ökonomie», wie Hafen es nennt.
Zu erwähnen wäre zum Beispiel die Verbesserung der Leukämie-Therapie. Das Team um den Computer-Biologen Moritz Garstung von der Universität Cambridge konnte mittels der Nutzung grosser Datensätze das Therapie-Design für Leukämie-Patienten um 30 Prozent effizienter machen. Ein phänomenales Ergebnis.
Für den Systembiologen Hafen ist der Vormarsch der Big-Data-Verfahren deshalb als grosse Chance zu werten. Dazu müsse aber dem einzelnen Bürger klar werden, welcher Wert seinen Daten im Verbund mit anderen Daten innewohne.
«Wir müssen uns aus der digitalen Leibeigenschaft befreien», sagt Hafen. Der Bürger müsse die Möglichkeit haben, die Kontrolle über die Zweitnutzung seiner Daten bei sich zu behalten. Dazu brauche es das «Recht auf Kopie» in der Verfassung.
Zu diesem Zweck haben Hafen und seine Mitstreiter den Verein «Daten und Gesundheit» gegründet. Auf der dazu gehörenden Plattform midata.coop können Bürger Kopien all ihrer Daten sicher managen. Das Geld, das aus diesen Daten erzielt würde, erklärt Hafen, fliesst nicht in die Kassen anderer. Vielmehr würde dieses in die Plattformentwicklung und in Forschungsprojekte investiert.
Die Politik hinkt hinterher
Laut Hafen könnte die Schweiz im Big Biz um Big Data eine Vorreiterrolle spielen. 2018 will unter anderem seine Gruppe eine «Volksinitiative zum Recht auf Kopie» lancieren. Kommt sie durch, wäre die Schweiz das erste Land der Welt, in dem das Recht an den eigenen Daten in der Verfassung verankert wäre.
Seine Hausaufgaben machen muss demnach vor allem die Politik. Und die tut sich noch schwer mit der neuen Verantwortung. Der Versuch ist gescheitert, das «Recht auf Kopie» per Postulat (FDP-Nationalrat Fathi Derder (VD), Okt. 2015) in der kürzlichen Revision des Datenschutzgesetzes unterzubringen.
Die Politiker haben das Anliegen auf einen späteren Revisionsdurchgang verschoben. Hoffen wir, dass noch so viel Zeit bleibt.