Die Betreiberin des Kraftwerk Mühleberg hat genug. Die Bernischen Kraftwerke (BKW) wollen das Atomkraftwerk Mühleberg unter Einhaltung aller Sicherheitsanforderungen nur noch bis 2019 weiter betreiben und anschliessend vom Netz nehmen. Dies teilten VR-Präsident Urs Gasche und BKW-Chefin Suzanne Thoma anlässlich einer Medienkonferenz mit.
Mischlösung zugunsten der Sicherheit
Die Anlage ist eines der ältesten sich noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke der Welt. Spätestens seit der Katastrophe von Fukushima 2011 sind die Risse im Kernmantel des Kraftwerks zum Zunder einer neuen Ausstiegsdebatte in der Schweiz geworden. Für einen Weiterbetrieb der Anlage lagen verschiedene Forderungen auf dem Tisch.
Für die Betreiberin ist es darum zunächst ein unternehmerischer Entscheid. Für einen längeren Weiterbetrieb wären laut Gasche Investitionen in der Höhe von mehreren hundert Millionen Franken nötig gewesen. Angesichts des Preiszerfalles im Strommarkt wäre dies keine gute Option gewesen.
Als weiteren Grund für den Ausstieg nannten die BKW politische Kriterien. Mit verschiedenen kantonalen und nationalen Initiativen zur Begrenzung der Betriebsdauer von Atomkraftwerken bestehe ein «latentes Risiko einer ungeplanten Ausserbetriebnahme», sagt Gasche im Interview mit der «Tagesschau».
Der vorliegende Entscheid ist denn auch eine Mischlösung: Betrieb bis 2019, dafür Nachrüstungen in der Höhe von 200 Millionen Franken. Rund 15 Millionen davon entfallen auf ausserordentliche Nachrüstmassnahmen, etwa in die Verbesserung der Kühlwasserversorgung.
Früher ausschalten - weniger sanieren
Beide BKW-Spitzenleute sprachen von einem schwierigen Entscheid. Insbesondere weil für die BKW ab 2019 drei Terawattstunden Strom pro Jahr wegfallen und der grösste Teil davon mit Strom aus ausländischen AKW oder fossilen Kraftwerken gedeckt werden müsse. Insofern sei das «nicht ein Schritt in Richtung Atomausstieg».
Tatsächlich geht in den nächsten Monaten das Kohlekraftwerk im deutschen Wilhemshaven ans Netz, an dem die BKW beteiligt ist. «Unser Anteil liefert zwei Drittel der Kapazität von Mühleberg», sagte Thoma.
Ungeachtet allen Tatendrangs seitens BKW muss das Ensi das Ansinnen des Unternehmens erst noch gutheissen. Zunächst einmal fordert das Inspektorat eine neue Nachrüstplanung für die verbleibende Restlaufzeit. Und genau bei dieser Nachrüstung will die BKW schliesslich Geld sparen.
Im Vergleich zu den Ensi-Forderungen für den Langzeitbetrieb ist jetzt eine billigere Verbesserung der Kühlwasserversorgung geplant. Günstiger soll auch eine Verbesserung der Brennelement-Lagerbeckenkühlung ausfallen.
Entsprechend betonten Thoma und Gasche bei der Erklärung des Ausstiegsentscheids vor den Medien, das AKW Mühleberg erfülle alle Sicherheitsanforderungen. Es liege über dem gesetzlich geforderten Niveau.
Genug Geld für Rückbau
Im Interview mit der «Tagesschau» präzisierte BKW-CEO Thoma diese Aussagen hinsichtlich der benötigten Mittel. Es stünden auch in diesem neuen Abschalt-Szenario alle nötigen finanziellen Werkzeuge zur Verfügung.
In den entsprechenden Fonds stünden «...bei Weitem auch genügend Geld für den Rückbau der Anlage ab 2019 bereit», sagte Thoma.
Und die Mitarbeiter?
Die mit der vorgeschlagenen Lösung frei werdenden Ressourcen will die BKW in den verstärkten Ausbau des Wasserkraft- und Windenergie-Geschäfts im In- und Ausland stecken. Ferner sollen auch Investitionen in neue innovative Produkte und Dienstleistungen getätigt werden.
Bis zum Betriebsende 2019 werden überdies sämtliche Mitarbeitende im Atomkraftwerk weiterbeschäftigt. Es sind keine Entlassungen vorgesehen. Im Gegenteil: Primäres Ziel sei es, die derzeit im Werk tätigen Spezialisten und Fachkräfte zu halten, teilten die BKW in ihrer Pressekonferenz mit.
Bislang ist noch keine Anlage dieser Grösse rückgebaut worden in der Schweiz. Der Bedarf an Experten dürfte sicher nicht kleiner werden.
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Ein historisches Dokument
Das AKW Mühleberg wird das erste Atomkraftwerk in der Schweiz sein, das zurückgebaut wird. Nicht nur für die Skeptiker der Technik dürfte das ein historischer Moment sein. Die Pressekonferenz der Betreiberin zum Ausstieg im Jahr 2019 können Sie hier in voller Länge nachsehen.