Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ab. Die Kantone sollen weiterhin selber über solche Verbote im öffentlichen Raum entscheiden können.
- Wo auf Bundesebene angezeigt, sieht der Bundesrat aber mit einem indirekten Gegenvorschlag gezielte Massnahmen auf Gesetzesstufe vor.
- Mit einer Strafbestimmung soll jeglicher Zwang zur Verhüllung des Gesichts geahndet werden. Behördenkontakte sollen zudem zwingend mit unverhülltem Gesicht erfolgen.
- Die Initiative des Egerkinger Komitees richtet sich gegen religiös begründete Verschleierungen, aber auch gegen kriminelle oder vandalistische Vermummungen.
- Auch der Zwang zur Verhüllung soll laut den Initianten verboten werden. Ausnahmen gelten nur bei Aspekten von Sicherheit, Gesundheit, Klima und einheimischem Brauchtum.
- Bisher kennt nur der Kanton Tessin ein Verhüllungsverbot. Es gilt seit Juni 2016. Im ersten Jahr hatte die Polizei sieben Verstösse von «Verhüllung im öffentlichen Raum» gemeldet.
Der Bundesrat habe einen «Richtungsentscheid» zur Burka-Initiative gefällt, die schwierige Fragen aufwerfe, erklärte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien. Denn einerseits herrsche breiter Konsens darüber, dass sich der Staat nicht in Kleidervorschriften einzumischen habe. Anderseits lösten aber Bilder von vollständig verhüllten Frauen bei vielen Irritation und Befremden aus: «Der Niqab und die Burka sind gerade aus Frauensicht eine Zumutung, und zwar nicht nur für jene, die sie tragen müssen.»
Der Niqab und die Burka sind gerade aus Frauensicht eine Zumutung, und zwar nicht nur für jene, die sie tragen müssen.
Aus den Kantonen kämen unterschiedliche Signale, erinnerte Sommaruga und verwies etwa auf das Verbot im Kanton Tessin. Der Bundesrat habe vor diesem Hintergrund entschieden, den Kantonen keine Einheitslösung vorzuschreiben. Die Regierung lehne die Initiative für ein landesweites Burka-Verbot ab, bekräftige aber, dass die Kantone die Burka auch künftig verbieten dürfen.
Die Kantone können laut Sommaruga insbesondere selber regeln, wie sie mit verhüllten Touristinnen aus dem arabischen Raum umgehen möchten. Denn jene machten den Grossteil der Frauen aus, die man mit einer Gesichtsverhüllung sehe, vor allem in den Tourismusregionen.
Auf Bundesebene brauche es dagegen keine umfassende und flächendeckende Regelung. «Was es aber braucht, sind gezielte Vorschriften für jene Fälle, wo die Gesichtsverhüllung zum Problem werden kann», so Sommaruga. Also dort, wo Niqab und Burka nicht nur störten und befremdeten.
Strafe bei Zwang
Zum Problem wird die Gesichtsverhüllung laut Sommaruga, wo der Zwang und der Druck so gross sind, dass die Frau resigniert und damit auch ihre Chancen vermindert, sich in der Gesellschaft und der Arbeitswelt zu integrieren und zu behaupten. «Das können und wollen wir nicht akzeptieren», betonte Sommaruga.
Und weiter: «Wer eine Frau nötigt, sich zu verhüllen, überschreitet eine Grenze und soll bestraft werden.» Ein spezieller Tatbestand im Strafgesetz werde deshalb künftig verdeutlichen, dass jeglicher Zwang gegen Frauen verurteilt wird. Es dürfe nicht sein, dass Ehemänner und Väter ihren Frauen und Töchtern vorschrieben, sich zu verhüllen.
Es darf nicht sein, das Ehemänner und Väter ihren Frauen und Töchtern vorschreiben, sich zu verhüllen.
Grenzen setzt der Bundesrat zugleich im Kontakt mit Behörden, die Bundesrecht vollziehen. Eine Frau, die sich auf dem Arbeitsamt melde, müsse ihr Gesicht zeigen, so Sommaruga. Denn das gehöre zur Schweiz und schaffe Vertrauen. Wenn jemand nicht Folge leiste, könne die Behörde Anzeige erstatten oder die Leistung verweigern: «Wer sich weigert, die Burka abzulegen, wird also bestraft.» Damit soll den Behörden im Alltag der Rücken gestärkt werden, denn sie hätten etwa im Vergleich zu einem Juwelier keine Privatautonomie.
Sommaruga: Tieferliegende Probleme anders lösen
Die Justizministerin räumte ein, dass der indirekte Gegenvorschlag auf die tieferliegenden Probleme im Zusammenhang mit der Burka keine Antwort gebe. Allerdings auch die Initiative nicht. Themen wie Zwang gegen Frauen, häusliche Gewalt, Geschlechtergleichstellung oder Integration liessen sich nur schwerlich mit einem Gegenvorschlag angehen. Für diese Bereiche habe der Bundesrat aber bereits andere Massnahmen umgesetzt oder geplant, etwa das Gesetz zum Schutz von gewaltbetroffenen Personen und die Integrationsagenda.
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