Der Bundesrat will die Verhandlungen mit der Europäischen Union in den wegen der Zuwanderungsinitiative blockierten Dossiers wieder in Gang bringen. Es sind vor allem Forschung, Bildung, Strom und Emissionshandel, wie Bundespräsident Didier Burkhalter vor den Medien darlegte.
Die Landesregierung verabschiedete dazu eine Erklärung, die verschiedene Massnahmen vorsieht. Dazu gehört allem voran die kontingentierte Zulassung von kroatischen Bürgerinnen und Bürgern zum Schweizer Arbeitsmarkt.
Der Bundesrat hält weiter fest, dass die erworbenen Rechte der bereits jetzt in der Schweiz lebenden oder arbeitenden Bürgerinnen und Bürger aus EU- oder Efta-Ländern gemäss Freizügigkeitsabkommen bestehen bleiben. Und zwar auch dann, wenn das Freizügigkeitsabkommen gekündigt werden sollte.
Burkhalter: «Beste mittelfristige Lösung»
Bundespräsident Didier Burkhalter unterstrich vor den Medien, dass es sich um eine kleine Etappe auf einem langen und steinigen Weg handle. Es sei darum gegangen, die «beste mittelfristige Lösung für die Schweiz unter den gegebenen Umständen» zu finden und den Motor in den Beziehungen zur EU wieder anzuwerfen.
Die Lösung hatte sich in den letzten Wochen abgezeichnet. Am Dienstag hatten die Unterhändler in Brüssel eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Mit der Erklärung des Bundesrats wird nun auch der Weg frei für Verhandlungen der EU mit der Schweiz über institutionelle Fragen beziehungsweise ein mögliches Rahmenabkommen. Der zuständige EU-Botschafter-Ausschuss (Coreper) hat das Mandat heute Mittag verabschiedet.
Burkhalter erinnerte daran, dass nun noch alle 28 EU-Staaten zustimmen müssten. Dies sei praktisch sicher und wäre nach seinen Worten dann der «Schlüssel» für einen erneuerten Bilateralismus. «Wir wollen Bewegung im Dossier und den bilateralen Weg neu erfinden.Wenn wir das schaffen, ist es gut, sonst müssen wie eine neue Lösung finden», betonte der Bundespräsident.
«Wir arbeiten Punkt für Punkt verfassungskonform»
Angesprochen auf die Fundamentalopposition der SVP gegen jegliche weitergehende Annäherung der Schweiz an die EU sagte Burkhalter: «Die Initiative verlangt nicht, dass wir die Bilateralen in Frage stellen, sondern die Zuwanderung neu organisieren.» Auch habe das Volk nicht entschieden, die Beziehungen zur EU zulasten des Wohlstands zu verschlechtern. «Der Bundesrat ist überzeugt, dass das Volk den bilateralen Weg will und es wird auch wieder das letzte Wort haben.»
Die EU sei unnachgiebig beim Grundsatz, dass Kontingente mit der Personenfreizügigkeit nicht zu vereinbaren seien, sagte Burkhalter. Es sei daher schwer vorstellbar, eine Lösung zu finden, die für die EU akzeptabel sei. Muss das Freizügigkeitsabkommen gekündigt werden, fällt das Paket der Bilateralen I automatisch dahin.
Gemäss Einschätzung von SRF-Bundeshauskorrespondent Oliver Washington könnte es deshalb durchaus sein, dass das Volk in drei Jahren nochmals abstimmen muss. Zur Debatte könnte dann ein umfassendes bilaterales Gesamtpaket mit der EU stehen, in dem allerdings die Personenfreizügigkeit allenfalls kosmetisch retouchiert wäre. Würde dieses «Päckli» vom Volk abgelehnt, wären alle bilateralen Verträge mit der EU obsolet.
500 Aufenthaltsbewilligungen und Erweiterungsbeitrag
Den kroatischen Staatsangehörigen werden nun ab 1. Juli 2014 separate Kontingente im Rahmen der Zulassung von Drittstaatsangehörigen zum Schweizer Arbeitsmarkt gewährt. Es handelt sich um 50 Jahresaufenthaltsbewilligungen B und 450 Kurzaufenthaltsbewilligungen L. Der Bundesrat kann die Kontingente eigenständig auf dem Verordnungsweg einführen.
Genau gleich viele Bewilligungen hätte die Schweiz Kroatien auch in den ersten Jahren des freien Personenverkehrs gewährt. Den entsprechenden Vertrag unterzeichnete der Bundesrat wegen der Annahme der Zuwandungerungsinitiative der SVP nicht.
Zudem wurde der im März 2013 vom Bundesrat vorgeschlagene Erweiterungsbeitrag von 45 Millionen Franken für Kroatien bestätigt, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) weiter mitteilt.
Kroatien soll damit gleich behandelt werden wie die anderen seit 2004 beigetretenen neuen EU-Mitgliedstaaten. Über den Rahmenkredit muss wie bei früheren EU-Erweiterungen das Parlament entscheiden.
Skepsis angebracht
Die Erwartungen des Bundesrats schätzt EU-Korrespondent Bruderer mit Blick auf ein gewisses «Tauwetter» als realistisch ein. Allerdings werde sich wohl die EU gerade bei den Forschungsabkommen einen beträchtlichen Spielraum bewahren. Bundespräsident Burkhalter bestätigte diesbezüglich, dass die Schweiz nicht mehr die gleiche Rolle spielen werde wir vorher. Es müsse jetzt eine Übergangslösung gefunden werden.