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Manuel Battegay zum Coronavirus in der Schweiz
Aus Tagesgespräch vom 27.02.2020. Bild: zvg
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Coronavirus in der Schweiz «Bei Pandemien gibt es nicht richtige und falsche Entscheidungen»

Infektiologe Manuel Battegay über die Gratwanderung zwischen Zurückhaltung und Alarmierung beim Coronavirus.

«Wir sind vorbereitet» – das sagt Manuel Battegay immer wieder. Er ist Chefarzt für Infektiologie und Spitalhygiene am Universitätsspital Basel. Zurzeit würden dort täglich zwischen zwei und sieben Tests auf den Coronavirus durchgeführt – bis zum Donnerstagmittag alle negativ. Aber das Spital sei gewappnet, falls Patienten positiv getestet würden.

Leere Strassen im Tessin
Legende: Leere Strassen nach der Absage des Karnevals wegen des Coronavirus in Tesserete, Tessin. Keystone

Das Gesundheitssystem werde «sehr rasch an seine Grenzen stossen», sagte Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit an der Medienkonferenz am Donnerstag. Bald werde sich das Gesundheitspersonal darauf konzentrieren müssen, sich um die schweren Fälle zu kümmern. Battegay sieht das für Basel anders: «Wir haben noch einiges an Kapazitäten, auch die Notfallstation ist gut gerüstet.»

Für die Menschen, die Angst haben, ist es wichtig, dass sie sich testen lassen können.
Autor: Manuel Battegay Infektiologe am Universitätsspital Basel

Die Kapazitäten für Tests wurden gesamtschweizerisch aufgestockt, bis zu 1000 Tests pro Tag sollen möglich sein. «Wir werden mehr testen müssen und uns dieser Grössenordnung sicherlich annähern», ist Battegay überzeugt. Und: «Für die Menschen, die Angst haben, ist es wichtig, dass sie sich testen lassen können.»

Auch das Unispital Basel hat bereits mehrere Menschen auf das Virus getestet, bei denen kein dringender Verdacht besteht – also solche, die weder kürzlich in Risikoländer gereist sind noch die klassischen Symptome zeigen. «Das war für uns auch gut, um die Abläufe zu üben und zu verbessern», sagt der Infektiologe.

Selbst wenn wir zu spät reagieren würden, kann man das korrigieren.
Autor: Manuel Battegay Infektiologe, Universitätsspital Basel

Der Engadiner Skimarathon und auch die Uhrenmesse in Genf wurden abgesagt. Sinnvolle Massnahmen? «Der Bundesrat, das BAG und die kantonalen Behörden arbeiten eng zusammen und wir als Experten tragen dazu bei, wie der Zeiger gerichtet wird», sagt Battegay. Klar sei: «Es ist eine Gratwanderung. Aber selbst wenn wir zu spät reagieren würden, kann man das korrigieren.»

Täglich analysieren und adaptieren – das ist das A und O für Battegay. «Wir sind an der Schwelle zu einer Pandemie, und bei Pandemien gibt es nicht einfach richtige und falsche Entscheidungen.» Er ist zuversichtlich: «Wir müssen schnell reagieren können. Und ich glaube, die Schweiz ist ein sehr gut organisiertes, effizientes Land mit kurzen Wegen.»

Die Bevölkerung kann sehr viel dazu beitragen, dass wir im Gesundheitswesen nicht an unsere Grenzen stossen.
Autor: Manuel Battegay Infektiologe, Universitätsspital Basel

Glücklicherweise sei die Grippe bereits am Abflauen, doch wenn die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten stark zunehme, müssten Kompromisse eingegangen werden. Etwa, dass die für Grippepatienten reservierte «Kohortenstation» – eine isolierte Station – geschlossen werde, nennt Battegay als Beispiel. «So weit sind wir aber noch nicht.»

Battegay hält nicht viel von Grenzschliessungen. «Wenn man sieht, dass die Situation eskaliert, muss man das in Betracht ziehen. Aber der Bundesrat hat richtig entschieden, solche drastischen Massnahmen nicht voreilig zu beschliessen.» Die Ausbreitung könne man nicht gänzlich unterbinden, aber verlangsamen: Dafür sei die Kampagne des Bundes wichtig. «Die Bevölkerung kann sehr viel dazu beitragen, dass wir nicht an unsere Grenzen stossen.»

«Der Eindruck von Chaos ist ein Charakteristikum bei Pandemien»

Box aufklappen Box zuklappen

Die Bevölkerung und auch die Medien seien hervorragend – und teils sogar schneller als Experten – informiert, sagt Battegay. Das sei nichts Negatives, habe aber zur Folge, dass sich Dynamiken wie Hamsterkäufe entwickeln. «Bei Pandemien ist der Eindruck von Chaos ein typisches Charakterisikum. Man hat so viele Informationsquellen, dass das zwangsweise entsteht.»

Aber dass die Behörden das Coronavirus verharmlosten, lässt er nicht gelten. Bund, Kantone und auch die Gesundheitszentren hätten die Situation im Griff. Und: «Mit der Zeit ist das Vertrauen da, dass die richtigen Schritte gemacht worden sind. Die Kommunikation verlaufe gesamthaft gut. «Wir haben ein offenes System in der Schweiz und justieren den Gradzeiger ständig.»

Battegay schätzt das Risiko, sich in der Schweiz anzustecken, als moderat ein. «Aber wir hinken immer ein bisschen hinterher. Wir sind beim Coronavirus noch nicht in der Lage, Antikörper nachzuweisen. Es sind sicher mehr als vier Infektionen. Ob es 40 oder 100 sind, wissen wir schlicht nicht. Aber wir lernen täglich mehr über die Krankheit.» Es sei beispiellos, wie schnell und wie viel in den letzten Monaten über das Coronavirus herausgefunden wurde. Und das stimmt Battegay optimistisch.

Tagesgespräch vom 27.2.2020; gfem

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