Derzeit ist die neue Corona-Variante EG.5, auch Eris genannt, in aller Munde. Wie ist sie einzuschätzen – und sorgt sie für steigende Fallzahlen in der Schweiz? SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel ordnet ein.
Was zeichnet die neue Corona-Variante Eris aus?
Eris setzt sich in vielen Ländern offenbar gerade durch. Sie muss also einen Fitnessvorteil gegenüber anderen Varianten haben. Konkret: Sie steckt mehr Menschen an als andere Varianten. Das ist klar. Krankmachender ist sie nach den Daten, die man bisher hat, aber nicht.
Wichtig zur Einordnung: Die WHO gibt neuen Varianten immer dann einen Namen statt der Buchstaben-Zahlen-Kombination, wenn deren Experten sie für besonders relevant und besorgniserregend halten. Der Name «Eris» stammt aber nicht von der WHO, sondern von einer Gruppe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die den Namen auf X, ehemals Twitter, verbreitet haben.
Wo ist die Variante bisher besonders verbreitet?
Anfänglich wurde Eris vor allem in China, Japan und Südkorea nachgewiesen, inzwischen taucht die neue Corona-Variante vermehrt auch in Europa und den USA auf. Die Europäische Seuchenbehörde ECDC gibt an, dass sie sich messbar sowohl in Europa und Grossbritannien als auch in den USA gegen andere Varianten durchsetzt. In den USA zum Beispiel ist sie inzwischen dominant. In der Schweiz liegt sie in den Abwasser-Überwachungsdaten bei 20 bis 40 Prozent. Diese Angaben spiegeln allerdings nicht die aktuelle Situation wider, weil die Auswertung der Erbgut-Sequenzen relativ lange dauert. Der Eris-Anteil dürfte jetzt schon höher sein.
Sorgt Eris für steigende Fallzahlen in der Schweiz?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldet, dass die 14-Tage-Inzidenz der laborbestätigten Covid-19-Fälle im Vergleich zur Vorwoche um 49 Prozent zugenommen habe. Man muss bei der Interpretation der Fallzahlen inzwischen jedoch wirklich sehr vorsichtig sein, weil nur noch sehr wenige Tests gemacht werden. Aussagekräftiger sind die Abwasserdaten. Diese steigen schon seit Anfang Juli an. Das spricht dafür, dass nicht allein Eris die Ursache für den Anstieg ist, sondern auch nachlassende Immunität eine Rolle spielt.
Ist die Corona-Variante gefährlicher als die bisherigen?
Nein. Sie ist ähnlich krankmachend wie andere Omikron-Töchter. Und ganz generell: Der Schutz gegen Ansteckung lässt zwar bei Corona nach wie vor relativ schnell nach, was immer neue Infektionswellen möglich macht. Aber der Schutz gegen schwere Verläufe, der über T-Zellen funktioniert, ist nach drei oder mehr Immunereignissen (Impfung oder Infektion) ziemlich breit und auch divers. Das heisst, er wirkt auch gegen neue Varianten, solange diese immunologisch nicht drastisch anders sind. Auf diesem Immunitätsstand sind schon sehr viele. Damit eine neue Variante diese Immunität aushebeln kann, braucht es einen relativ starken evolutionären Sprung.
Besteht nun in Zukunft Grund zur Sorge?
Es ist gut möglich, dass Eris eine spürbare Welle auslöst, wobei da zwei Faktoren zusammenkommen. Die Immunität in der Bevölkerung aus vorherigen Wellen und Impfungen lässt zum einen nach. Zum anderen kann Eris bestehenden Immunschutz ein Stück weit umgehen, man nennt das «Immunflucht». Eris ist, und das ist wichtig, dabei noch relativ nah verwandt mit ihren Schwestervarianten, die Immunflucht ist also schon da, aber nicht dramatisch. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass eine Eris-Welle schnell ansteigt, aber auch schnell wieder abreisst.
Insgesamt zirkulieren zurzeit sehr viele verschiedene Varianten. Die Zeiten sind schon eine ganze Weile vorbei, wo einige wenige Varianten – Alpha, Delta, Omikron – das Geschehen nacheinander jeweils dominiert haben. Aus dieser Diversität heraus können immer wieder Varianten auftauchen, die noch einmal ganz neue Eigenschaften haben. Zurzeit beobachten Forschende besonders eine Variante namens BA.2.86 aufmerksam. Sie wurde bisher in vier Ländern nachgewiesen und ist relativ stark mutiert. Sie könnte deshalb eine deutlich stärkere Immunflucht haben als Eris.