«Keine Schweiz ohne uns» – so lautete der Wahlslogan der CVP im Wahljahr 2011. Doch auf die hochgesteckten Wahlziele folgte die Ernüchterung. Parteipräsident Christoph Darbellay sagte am Wahlabend, man leide unter der neuen Konkurrenz in der Mitte: «Der Kuchen wird nicht grösser; statt drei Gästen gibt’s jetzt fünf. Die GLP und die BDP haben massiv zugelegt. Alle Parteien leiden darunter – aber wir am meisten.»
Denn statt bei der angestrebten Wählerstärke von 17 Prozent landeten die Christdemokraten gerade mal bei 12 Prozent – oder bei minus drei Sitzen im Nationalrat und minus zwei Sitzen im Ständerat.
Chronische Wahlverliererin
Das Leiden nach den eidgenössischen Wahlen setzt sich seither bei den meisten kantonalen Wahlen fort. Die CVP verliert und verliert. Im Aargau, in Solothurn, in Basel, in Neuenburg, St. Gallen, Schaffhausen und Thurgau, Schwyz aber auch dort, wo die CVP traditionell sehr stark ist: in Freiburg und dem Wallis.
Der Grund dafür ist die Konkurrenz durch die neuen Mitteparteien, so Präsident Darbellay, aber nicht nur: «Es ist die Personalpolitik, es sind unterschiedliche Einflussfaktoren des Kampfs und wie man ihn führt. Das sind Aspekte, die sich auch lokal abspielen können.»
Grosse Abstimmungsgewinnerin im Parlament
Doch die grosse Wahlverliererin CVP ist paradoxerweise die grosse Abstimmungsgewinnerin im eidgenössischen Parlament. Keine der Parteien gewinnt in Bundesbern so oft wie die CVP. Sei es bei der Energiewende, beim Kauf des neuen Kampfjets Gripen, bei Asylgesetzrevision oder wenn es darum geht, das Raumplanungsgesetz zu verschärfen – bei all diesen Entscheiden hatte die CVP die Mehrheit auf ihrer Seite. Dies mit Hilfe der neuen Mitte-Parteien BDP und GLP, die ähnliche Positionen vertreten.
Doch der Erfolg hat seinen Preis. Das Profil der Christdemokraten hat in den letzten beiden Jahren nicht an Kontur gewonnen. Wer wie die Linke Ja sagt zum Atomausstieg und gleichzeitig wie die Rechte mehr Geld für die Armee verlangt, ist im herkömmlichen Links-Rechts-Schema schwer zu verorten.
Für Fraktionspräsident Urs Schwaller ist dies kein Problem, sondern Programm: «Wir sind eine Zentrumspartei, die eben auch mal mit den Rechten oder den Linken stimmen muss. Das hat aber nichts mit Zickzackkurs zu tun. Es entspricht unseren Positionen.»
Besser verkaufen
Dennoch räumt Schwaller ein: Will die CVP bei den eidgenössischen Wahlen 2015 nicht wieder verlieren, muss sie sich besser verkaufen: «Für mich ist es klar: Auf weniger Themen konzentrieren und immer wieder wiederholen, was unsere Position ist.»
Finanzpolitische Themen bzum Beispiel möchte Schwaller in Zukunft weniger beackern – die interessierten zu wenig. Stattdessen müsse man noch mehr auf Sozial- und Familienpolitik, Verkehr und natürlich die Energiewende setzen.
Stammwähler wieder zurückholen
Das sehen in der Partei nicht alle so. Man spreche so vielleicht CVP-Wähler aus Städten und Agglomerationen an, nicht aber die traditionelle Wählerschaft in den Stammlanden, befürchtet Nationalrat Gerhard Pfister aus dem Kanton Zug: «In den Stammlanden, dort wo die CVP noch stark ist, gibt es meistens auch noch einen starken wirtschaftsfreundlichen, KMU-freundlichen und auch teilweise konservativen Flügel.»
Dieser sei in Bern zu wenig repräsentiert. «Da fühlen sich manche CVP-Wähler nicht mehr so daheim, wenn sie sehen, was die CVP in Bern politisiert.» Pfister ist überzeugt: dass die CVP aktiv den Atomausstieg unterstützt, habe zum Beispiel im Kanton Aargau zahlreiche Wähler vergrault.
Meinungen ausdiskutieren und respektieren
Doch warnt die St. Galler Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, die in der Partei den sozialen Flügel vertritt: «Die CVP auf einen einheitlichen Kurs bringen zu wollen, das wäre falsch. Als Mittepartei haben Sie immer eine gewisse Vielfalt innerhalb der Fraktion, die gilt es zu respektieren. Das ist auch unsere Stärke, zwischendurch kann es durchaus auch eine Schwäche sein. Unsere Stärke ist, dass wir diese Meinungsvielfalt innerhalb der Partei ausdiskutieren und auch respektieren.»
Das sieht auch Parteipräsident Darbellay so. Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen die Vielfalt zu beschränken, wäre ein grosser Fehler: «Schauen Sie nach Deutschland. Frau Merkel hat eine sehr heterogene Partei, eine sogenannte Volkspartei. Das hat sie geschafft. Und das hat auch Zukunft in der Schweiz.» Die Wahlziele für 2015 steckt der Parteipräsident allerdings nicht allzu hoch: Hauptsache sei, die CVP verliere nicht noch mehr Wähler.