Arthur Schneider, heute 74-jährig, damals ein junger Gemeinderat, kann nicht vergessen, was er als Erstes gesehen hat. Damals im Unterwald bei Würenlingen, gut eine halbe Stunde nach dem Absturz: «Eine Hand, die lag offen auf dem Waldboden. Dieses Bild geht mir natürlich nicht aus dem Kopf.» Im Untersuchungsbericht wird später von 2400 Leichenteilen die Rede sein.
Doch von Anfang an: Der 21. Februar 1970, ein regnerischer kalter Samstag, 13:21 Uhr, kurz nach dem Start der Swissair-Coronado, Kurs 330, Zürich - Tel-Aviv.
Pilot Karl Berlinger meldet dem Tower Probleme mit dem Kabinendruck, er will zurück nach Kloten: «Zürich, von Swissair 330, wir haben Probleme mit dem Kabinendruck, wir müssen nach Zürich zurückkehren.»
Eine Minute später funkt er ein zweites Mal: «Zürich von 330, wir vermuten eine Explosion im hinteren Gepäckraum.» Dann folgt die dritte Durchsage: «Zürich von 330, wir haben Feuer an Bord, ersuchen um eine sofortige Landung.» Und kurz darauf schreit er ins Funkgerät: «Notfall, wir haben Feuer und Rauch an Bord, wir können nichts mehr sehen.»
«Goodbye everybody» (letzter Funkspruch)
Um 13:34 Uhr meldet sich Co-Pilot Armand Etienne mit den Worten: «330 stürzt ab». Und er verabschiedet sich: «Goodbye everybody.»
Ein Augenzeuge berichtet später: «Plötzlich sah ich einen grossen Feuerball. Wir haben zuerst gedacht, es sei in den Reaktor gestürzt. Es war eine Riesenexplosion.» Die Absturzstelle liegt nun ein paar hundert Meter neben dem Atomforschungsreaktor Würenlingen.
Palästinenser übernehmen Verantwortung
Die Ermittlungen zeigen: Im Frachtraum der Coronado ist eine Paketbombe explodiert – ausgelöst durch einen Höhenmesser. In den Nachrichten der Schweizerischen Depeschenagentur wird zum Bombenanschlag gemeldet: «Die Volksfront für die Befreiung Palästinas übernimmt die Verantwortung.»
Bereits wenige Tage nach dem Absturz ist die mutmassliche Täterschaft bekannt. Der damals zuständige Bezirksanwalt Robert Akeret sagt heute: «Am Schluss muss es Kaddoumi gewesen sein, der den Sprengstoff zur Post gebracht hat.
Paketbombe sollte in israelische Maschine
Sufian Radi Kaddoumi, ein junger Jordanier. Er soll die Paketbombe am Tag vor dem Absturz in München aufgegeben haben. Gleichentags verlässt er Deutschland wieder Richtung Jordanien. Doch die tödliche, 4 Kilo schwere Fracht wird – nicht wie ursprünglich geplant – mit einer israelischen Maschine transportiert. Sie landet – Ironie des Zufalls – wegen einer Flugumleitung schliesslich in einem Swissair-Flugzeug.
Kaddoumi und weitere Tatverdächtige werden nie zur Rechenschaft gezogen, nie verurteilt. Trotz Haftbefehlen. Akeret, der damalige Ermittler, liefert im Dezember 1970 seinen Bericht eigenhändig der Bundesanwaltschaft ab. Heute sagt er, in Bern sei danach der Mantel des Schweigens über den Fall ausgebreitet worden.
Kaddoumi streitet in Interview alles ab
Dem freien Journalisten Gregor Henger gelingt es 20 Tage nach dem Swissair-Absturz, den mutmasslichen Täter Kaddoumi in Jordanien exklusiv zu befragen. Mit einem 10-Kilo schweren Ungetüm von Aufnahmegerät, das ihm das Schweizer Radio zur Verfügung stellt.
Henger fragt Kaddoumi, ob er mit den Flugzeugabstürzen von Frankfurt und Zürich irgendetwas zu tun hat. Dieser antwortet: «Überhaupt nicht, ich hab nichts damit zu tun. Mit solchen Sachen haben wir nichts zu tun.» Interessant: Er streitet in diesem Gespräch auch Details ab, die später als erwiesen gelten.
Kaddoumi soll 1996 gestorben sein. Die Umstände seines Todes sind nicht bekannt. Das Verfahren zum Swissair-Absturz Würenlingen wird im Jahr 2000 in aller Stille eingestellt.