«Der verrückte Weg des Frédéric Favre», titelt der französischsprachige «Nouvelliste» und staunt über den Wandel vom völlig unbekannten Personalfachmann zum politischen Überflieger.
Ähnlich tönt es beim «Walliser Boten», der von einem «strahlenden Wahlsieger dank CVPs Gnaden» berichtet. Dass dies stimmt, belegt das Resultat in der FDP-Wüste Oberwallis, wo der 37-Jährige im Vergleich zum ersten Wahlgang die Stimmen versiebenfachte.
Wer Favre ist, spielte für die meisten nur eine untergeordnete Rolle.
Favre war schlicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wer er ist, spielte für die meisten nur eine untergeordnete Rolle. Sie wollten den SVP-Staatsrat Oskar Freysinger loswerden, aber die bürgerlich dominierte Regierung bewahren.
Favre, der erst vor einem Jahr in die FDP eingetreten ist, hat sich allerdings auch sehr gut verkauft: Man hat gespürt, dass er schnell lernt. In den Staatsratsdebatten konnte er mit den sehr viel erfahreneren Kollegen inhaltlich immer mithalten.
Ein Familienvater der neuen Generation
Favre setzte auch eigene Schwerpunkte, etwa bei der Ökologie, indem er die Altlasten der Walliser Industrie ansprach – ein Seitenhieb gegen die quecksilberversuchten Böden der Lonza.
Als dreifacher Familienvater sprach er aber auch überzeugend den Mangel an Kinderkrippen an. Er profilierte sich so als Vertreter einer neuen Generation, wie sie bisher im Walliser Staatsrat nie vertreten war.
Ein «Überraschungsei» – Schlagkraft garantiert
Favre ist durchaus zuzutrauen, dass er neuen Wind in die Walliser Regierung bringt. Dass er sehr schnell lernt, hat er bereits bewiesen. Eine Art «Überraschungsei» ist er aber trotzdem, denn niemand weiss genau, was alles in ihm steckt. Er wird sich also noch beweisen müssen.
Interessant aber auch, dass er als Karatekämpfer auf nationaler und europäischer Ebene zahlreiche Titel geholt hat. Beim Kampfsport geht es um das richtige Timing. Das hat er zweifellos im Griff, sonst wäre er jetzt nicht Staatsrat geworden. Kämpfen und Einstecken gehören ebenfalls dazu. Beides kann er nun als neues Mitglied der Walliser Kantonsregierung brauchen.
Wer kennt Frédéric Favre?
1. Auch in seinem Heimatdorf ein Unbekannter
In Vétroz reibt man sich die Augen: Wer ist Frédéric Favre? Selbst die Frau auf der Post sagt, sie habe Frédéric Favre nicht gekannt, bevor er auf den Wahlplakaten aufgetaucht ist. Auch der Gemeindepräsident des 6000-Seelenortes Vétroz sagt, dass viele Leute überrascht worden seien durch die Wahl eines unbekannten Mitbürgers.2. Bekannt bei der FDP
Einer, der den neuen Staatsrat kennt: Jean-René Germanier hat in Vétroz eine Weinkellerei und war während zwölf Jahren Nationalrat für die FDP. Er habe vor einem Jahr einen Anruf erhalten von Favre. «Er wolle in die Politik einsteigen, hat Favre gesagt – und mich gefragt, ob ich ihn beraten könne.»