Die SP hatte Glück bei den Eidgenössischen Wahlen 2011. Sie verlor zwar Wählerstimmen und landete bei18,7 Prozent. Im Parlament aber konnte sie ihre Sitze ausbauen. Und dort kann sie ihre Anliegen auch öfter durchsetzen: Etwa beim Ausbau der flankierenden Massnahmen oder auch beim Atomausstieg.
Doch darf sich die SP von diesen Erfolgen nicht blenden lassen. Denn bei Wahlen verliert die Linke seit Jahren Wähler an andere Parteien. «Wenn wir es rechnen über die letzten zehn Jahre, dann haben wir ziemlich überall hin verloren – und das zeigt auch, wie schlecht die Partei aufgestellt war», sagt Nationalrat Cedric Wermuth.
Der frühere Juso-Präsident wurde 2011 in die grosse Kammer gewählt. «Vor drei, vier Jahren wurde ich dauernd gefragt, wer ist die SP, was will sie, was fordert sie?» Heute frage das niemand mehr, sagt Wermuth. Die Partei habe ihr Profil geschärft.
Weg vom Image der Multithemen-Partei
Bei den Wahlen 2007 präsentierte sich die SP noch als weltoffene, ökologische und soziale Multithemen-Partei. Heute tritt sie primär als die Partei auf, die sich für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzt – und das mit gutem Grund, so Vizepräsidentin Jacqueline Fehr: «Wir haben seit 2008 eine Wende auf der ganzen Welt. Die Verteilungsfrage ist ins Zentrum gerückt, für die SP ist das das zentrale Thema.»
Die SP argumentiert pointierter. Sie unterstützt radikale Forderungen wie die 1:12-Initiative, und sie setzt die Bürgerlichen immer wieder unter Druck. Das neueste Beispiel: Ein Ja zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien gibt es nur mit einem weiteren Ausbau der flankierenden Massnahmen.
Eine wohl überlegte Forderung der SP. «Wir spüren von der jungen Bevölkerung ganz klar, dass sie von der Politik mehr erwartet», sagt Vizepräsidentin Fehr. Sie habe in den letzten Monaten sehr viele Kontakte mit Mitgliedern gehabt. «Sie freuen sich über den pointierten Kurs. Und sie sind motiviert, wieder mehr für die Partei zu tun.»
Erfolge in der Romandie dank Juso und Levrat
Die Jungsozialisten als treibende Kraft: Zusammen mit dem ebenfalls pointiert auftretenden Präsidenten Christian Levrat konnte die SP auf diese Weise in der Romandie Erfolge feiern – in Neuenburg und in der Waadt zum Beispiel.
Doch wie kommt dieser Kurs in der Deutschschweiz an? Kann die Sozialdemokratische Partei abgewanderte Wählerinnen zurückholen? Und vor allem: Kann sie auch bei den zahlreichen Nicht-Wählern punkten?
Ja, ist Fehr überzeugt: «Die Menschen haben seit der Bankenkrise aber auch nach Fukushima gespürt, dass es ernster wird, dass es um mehr geht als etwas Kosmetik in der Politik.» Deshalb stosse der klare Auftritt der SP auf positives Echo.
Es geht um mehr als etwas Kosmetik in der Politik.
Aufgepasst, sagt dagegen Nationalrat Jean-François Steiert. Er kämpft zurzeit um einen Sitz in der Freiburger Regierung. «Wir können mit einem pointierten sozialpolitischen Diskurs theoretisch Leute abholen, die nicht mehr stimmen gehen.» Aber Nichtwähler zum Wählen zu bringen, sei stets eine schwierige Übung.
Starke Akteure in der Deutschschweiz fehlen
Einfacher sei es, abgesprungene Wähler zurück zu holen. Dazu brauche es unterschiedliche Strategien für die Romandie und die Deutschschweiz. Sie SP müsse für die Deutschschweiz den sozialpolitischen Diskurs anpassen, glaubt Steiert. Wichtig sei, dass man immer auch die Frage der Finanzierung thematisiere.
Mit dem forschen Parteipräsidenten Christian Levrat und dem konzilianten Bundesrat Alain Berset ist die SP in der Romandie bestens aufgestellt. In der Deutschschweiz hat die Partei kein gleichwertiges Personal, das profiliert ist und durch ihre Unterschiedlichkeit auch andere Wählersegmente ansprechen kann. Das wäre wichtig – um auch in der Deutschschweiz wieder zulegen zu können.