«Das war keine Isolation, das war Isolationshaft!» Marlies Longatti desinfiziert die letzten Gegenstände im Gästezimmer, wo ihr Ehemann Bruno zwölf Tage in Selbstisolation verbringen musste. «Am Morgen konnte er schnell auf die Toilette und zum Duschen raus, wenn niemand da war. Sonst musste er die ganze Zeit in dem kleinen Zimmer verbringen und ausharren.»
Bruno Longattis positiver Coronatest stellte den vertrauten Familienalltag von einem Tag auf den anderen auf den Kopf: Er in Isolation, die anderen in Quarantäne. Gemeinsame Mahlzeiten gab’s nur noch virtuell. Das Essen wurde ihm vor die Tür gestellt, «und dann bin ich in die Küche gegangen zu einem Essen mit Videokonferenz.» Mutter und Tochter in der Küche, der Vater allein im Zimmer. Mit moderner Technik wenigstens virtuell vereint.
Dann das Geschirr wieder vor der Zimmertür abholen, in den Geschirrspüler stellen und alles desinfizieren – zwölf Tage lang immer und immer wieder.
Die Isolation zu Hause endete anders als erwartet: Weil Bruno Longatti zu dehydrieren drohte, musste er schliesslich doch in Spitalpflege.
Die zwölf Tage in Selbstisolation zu Hause stellten vor allem seine Psyche auf eine harte Probe. Wie hart, erzählt er dem Gesundheitsmagazin «Puls» per Videocall aus dem Spitalbett. «Eine emotionale Achterbahnfahrt! Man schwankt ständig zwischen weinen, Traurigkeit und nicht mehr weiterwissen bis hin zu ‹jetzt erst recht!› und sich nochmal richtig reinhängen. Das ging fast im Minutentakt rauf und runter.»
Zuspruch nahm Bruno Longatti dankbar entgegen. «Um solche Unterstützung war ich froh. Wenn es hiess, ‹wir schaffen das› oder ‹da kommen wir wieder raus›, war das ein Aufsteller.»
Instruktionen, wie man sich in der Isolation und der Quarantäne verhalten soll, erhielten die Longatti vor allem anhand von Merkblättern des Bundesamtes für Gesundheit. Ein Angebot mit begrenztem Nutzen.
«Die Unsicherheit hat mich schon etwas überfordert», denkt Marlies Longatti zurück. «Ich bin Polygrafin und habe von Pflege so viel Ahnung, dass es für ein kleines Mädchen reicht. Aber in dieser Situation? In einer Seuche, wo man so viel liest und mitbekommt – da hat man keine Ahnung mehr, wie man sich verhalten soll. Am Ende habe ich einfach gemacht, was ich gemacht habe.»
Wie soll man sich verhalten? Was müssen jene beachten, mit denen man zuletzt in Kontakt war? Fragen, die auch Andrea Gassmann beschäftigen.
Ihre Covid-Erkrankung begann mit Fieber und Muskelschmerzen. Mittlerweile hat sie Symptome einer starken Erkältung und ist sehr müde. Die zehntägige Selbstisolation verbringt sie allein in ihrer Wohnung und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. «Jeden Tag nach dem anderen nehmen und einfach nett zu mir selber sein. Wenn ich nachts nicht schlafen kann – was häufig vorkommt – eben tagsüber schlafen und sonst versuchen, im Bett etwas zu arbeiten.»
Zuversichtlich bleiben. Gelassen. Nicht einfach, wenn man sich alleingelassen fühlt. «Ich habe keine Informationen erhalten, wie sich mein Umfeld verhalten soll.» Was Andrea Gassmanns Covid-Erkrankung für eine Freundin bedeutet, mit der sie zusammen Sport treibt, sagte ihr niemand. «Mit ihrem Chef haben wir so ungefähr herausgefunden, was sie nun machen muss, weil wir noch gemeinsam trainiert haben.»
Die Ungewissheit plagt während der Selbstisolation in den eigenen vier Wänden Betroffene wie Angehörige. Marlies Longatti lebte in ständiger Sorge um ihren Mann: «Wenn ich nicht mehr husten hörte, konnte ich nicht nachschauen gehen, ob er noch atmet. Ich wusste nicht, ob es ihm noch gut geht oder schlecht.» Und natürlich war da auch die stete Angst, sich selber anzustecken. «Dass ich gesund geblieben bin, ist eigentlich ein Wunder.»
In Andrea Gassmanns Wohnung ist niemand, der sie nicht mehr Husten hört. Ihre grösste Sorge ist naheliegend: «Mitten in der Nacht aufwachen, kaum Luft bekommen und es nicht mehr schaffen, Hilfe zu holen.»