Sie waren zehn und vier Jahre alt, als ihre Mutter sie zum «Islamischen Staat» verschleppte. Das war 2016. Noch heute befinden sind die Mädchen in Syrien, seit zwei Jahren in Internierungslagern der kurdischen Lokalverwaltung.
Der Bundesrat hat sich gestern erneut mit den Fällen befasst, wie SRF aus sicherer Quelle weiss. Anlass war eine Interpellation des Genfer SP-Ständerats Carlo Sommaruga. Die Antwort darauf wurde heute veröffentlicht.
Der Bundesrat bleibt dabei: Die Rückführung von Kindern werde von Fall zu Fall geprüft. Neu ist, dass der Bundesrat klar sagt, das Aussendepartement EDA sei «jederzeit bereit, die notwendigen Dokumente für die Repatriierung von Kindern auszustellen, wenn sich die Eltern an das EDA wenden».
Kritik von der UNO
Der Druck war zuletzt gestiegen, als im April das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte die Schweiz direkt aufforderte, die beiden Mädchen zurückzuführen. Mitunterzeichner war Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter für Folter. Der Schweizer kritisiert die Haltung des Bundes im Gespräch mit «Schweiz Aktuell». Die Mädchen befänden sich in einem Kriegsgebiet, unter Lebensbedingungen, die nicht geeignet seien für Kinder.
Anders die Einschätzung in Bern: Johannes Matyassy, Direktor der konsularischen Direktion im EDA, sagt: «Ich will das nicht beschönigen, das sind sehr schwierige Umstände, aber auf der anderen Seite gibt es die Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Diese Kinder wohnen mit ihrer Mutter in einem ziemlich anständigen Zelt, es hat sogar einen Fernseher, die medizinische Betreuung ist sichergestellt.»
Knackpunkt einer Rückführung der Mädchen ist das Einverständnis der Mutter: Dieses wäre die Voraussetzung, damit die kurdischen Autonomiebehörden grünes Licht geben.
Dass auch die Mutter wieder einreisen würde, will die Schweiz verhindern: Der Bundesrat schliesst die Rückführung erwachsener Dschihad-Reisenden aus. Kommt hinzu: Der Mutter wurde die schweizerische Staatsbürgerschaft aberkannt. Die Kinder bleiben Schweizerinnen.
Tochter ist volljährig
Solange die Mutter sich weigerte und die kurdischen Behörden keine humanitären Gründe für eine Ausnahme vorliegen sahen, schien die Situation blockiert – doch nun scheint sich ein Fenster zu öffnen: Die ältere Tochter, die eine Kriegsverletzung am Bein erlitt, wurde im April 15 Jahre alt.
Nach kurdischen Recht ist sie nun volljährig. Bekundet sie den Willen, in die Schweiz zurückkehren zu wollen, könnte alles sehr schnell gehen. Johannes Matyassy bestätigt: «Wir haben mit den kurdischen Administrationsbehörden abgemacht, dass sie sie gehen lassen würden, sicherstellen würden, dass sie bis zur irakischen Grenze kommt und dort könnte man sie dann übernehmen und in die Schweiz zurückbringen.»
Es dürfte eine schmerzhafte Entscheidung sein für die 15-Jährige: Trotz allem hat sie wohl eine Bindung zu ihrer Mutter – und sie müsste ihre jüngeren Geschwister zurücklassen, sollten die Mutter und die Kurden auf ihren Positionen verharren. Es sind inzwischen zwei Halbgeschwister, neben ihrer neunjährigen Halbschwester aus Genf auch ein Kind ihrer Mutter mit einem inzwischen verstorbenen IS-Kämpfer.
In Genf, so sagt das EDA, wäre alles bereit. Ein Setting für die Betreuung in Obhut der Behörden sei organisiert. Nötig wird wohl psychologische Betreuung – nach drei Jahren beim IS und zwei Jahren in Internierungslagern.