Zwei Genfer Mädchen befinden sich seit fünf Jahren in Syrien – und das wegen ihrer Mutter. Sie nahm die beiden Halbschwestern mit, als sie sich dem «Islamischen Staat» anschloss. Heute sind sie 14 und 8 Jahre alt und befinden sich in einem Gefangenenlager im Norden Syriens.
Die beiden Väter der Mädchen kritisieren, dass die Schweiz zu wenig unternehme, um ihre Töchter zurückzuholen. Bislang scheiterte eine Rückkehr am fehlenden Einverständnis der Mutter.
Eine Rückkehr mitsamt der Mutter kommt nicht infrage, weil sie als gefährlich eingestuft wird. Die Schweiz hat ihr deshalb die Staatsbürgerschaft entzogen. Die Kinder sitzen also in einer Patt-Situation fest.
Anwalt wirft Bern illegales Verhalten vor
Das verletze ihre Rechte, sagt der Genfer Anwalt Olivier Peter, der die beiden Väter vertritt. «Die UNO-Konvention zu den Kinderrechten besagt, dass kein Interesse vor jenes des Kindes gestellt werden darf.» Deshalb sei die Schweizer Position illegal, die innere Sicherheit zu priorisieren.
Den Kindern geht es den Umständen entsprechend gut.
Im Schweizer Aussendepartement EDA sagt der im Fall zuständige Johannes Matyassy, er habe durchaus Verständnis für den Aufruf der beiden Genfer Väter. Doch die Schweizer Haltung verstosse nicht gegen internationales Recht, sagt er: «Die innere Sicherheit ist das prioritäre Gut. Deshalb verhält sich die Schweiz nicht illegal.»
Das EDA weist auch die Darstellung der Väter zurück, wonach die Schweiz nicht genug für ihre Kinder mache. Matyassy sagt zum Fall der Mädchen, gemäss seinen Informationen könnten die Kinder zur Schule und würden medizinisch versorgt. «Den Kindern geht es den Umständen entsprechend gut.» Das zeige ein Video, das bei einem Treffen Anfang März aufgenommen worden sei.
Ältere Tochter könnte bald zurückkehren
Und trotz der Weigerung der Mutter zeichnet sich für die ältere Tochter eine Lösung ab. Die kurdisch dominierte Verwaltung in diesem Gebiet trennt Kinder in der Regel nicht von den Eltern, ausser es gibt medizinische oder humanitäre Gründe, die für eine Trennung sprechen.
Die ältere Tochter wird bald 15 Jahre alt und damit nach kurdischem Recht volljährig. Dann könnte sie selber entscheiden und die Schweiz arbeitet daran, dass so die Rückkehr gelingt.
Parlamentarier für und gegen Rückkehr
Inzwischen haben die Bundes-Parlamentarier einen Brief der Väter erhalten. Zudem hat der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga einen Vorstoss eingereicht.
Das öffentliche Interesse geht vor.
Er verlangt, dass die Schweiz alle Kinder aus den syrischen Lagern repatriiert. Wenn nötig mitsamt der Mütter. «Die Schweiz muss ihre Position ändern, weil sie gegen internationales Recht verstösst», sagt Sommaruga.
Anders sieht das FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Zwar hat er Verständnis für das Anliegen der Väter. Aber der Bundesrat dürfe nicht nachgeben, sagt Portmann als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission: «Das öffentliche Interesse geht vor.» Er könne sich nicht vorstellen, dass Sommaruga die Verantwortung übernehmen würde, wenn die Frau Terroranschläge in der Schweiz verüben würde.
Bislang kein einziges Kind repatriiert
Auch wenn sich keine Änderung in der Haltung des Bundesrats abzeichnet: Der Druck der Angehörigen nimmt zu, dass für die Kinder eine Lösung gefunden wird.
Bislang ist die Schweiz den Beweis schuldig geblieben, dass das mit ihrer Taktik gelingt. Denn bisher wurde noch kein einziges Kind mit Schweizer Pass aus syrischen Gefangenenlagern repatriiert.