Der Bundesrat argumentiert, dass der Handel mit Lebensmitteln heute grenzüberschreitend erfolge. Der Gesundheitsschutz würde erleichtert, wenn die Schweiz an den Systemen der Lebensmittelsicherheit der EU teilnehmen könnte. Voraussetzung hierfür sei aber die Angleichung der Vorschriften.
Die vorberatende nationalrätliche Gesundheitskommission hat das Geschäft im Januar noch vor dem Pferdefleisch-Skandal behandelt und für gut befunden. In der Zwischenzeit haben jedoch einige Funde von Tiefkühllasagnen, die nicht deklariertes Pferdefleisch enthielten, in verschiedenen Ländern zu Diskussionen über korrekte Herkunftsangaben von Lebensmitteln geführt.
Strengere Regelungen
Zu reden gab, wie künftig die Lebensmittel deklariert werden sollten. Denn die Deklarationspflicht ist in der EU weniger streng als in der Schweiz: In der Schweiz muss bei allen Produkten das Herkunftsland angegeben werden, in der EU nur bei Früchten, Fleisch und Gemüse.
Nationalrätin Regula Rytz (GP/BE) hat sich dafür eingesetzt, dass die unerwartete Aktualität dieser Vorlage einer strengen Gesetzgebung hilft: «Gerade der Pferdefleisch-Skandal hat gezeigt, worin die Probleme des grenzüberscheitenden Handels liegen. Wir wollen deshalb keine Lockerung der Deklarationspflicht.»
In diesem Punkt haben die Konsumentenschützer einen Sieg errungen. Der Nationalrat verlangt, dass künftig in der Regel auch die Herkunftsangabe des Rohstoffs angegeben werden muss. Er nahm einen entsprechenden Antrag von Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) mit 101 zu 75 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Nationalrat Bastien Girod (GP/ZH) ging das jedoch zu wenig weit.
Ausnahmen möchte der Nationalrat jedoch zulassen. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Möglichkeit für Ausnahmen bei verarbeiteten Produkten neu im Gesetz zu verankern. Die vorberatende Kommission des Nationalrates zeigte sich einverstanden, schlug aber vor, dies nur bei stark verarbeiteten Lebensmitteln vorzusehen.
Der Nationalrat folgte seiner Kommission und stimmte dem zu. Vertreterinnen der SP und der Grünen beantragten mit Einzelanträgen, die Bestimmungen über die Ausnahmen zu streichen. Gesundheitsminister Alain Berset sagte dazu, er verstehe, dass der Pferdefleisch-Skandal Reaktionen ausgelöst habe. Es gehe aber darum, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Konsumentenschutzes und der Industrie zu finden.
Keine Chance für Bewahrer
Die Vertreter der Industrie wollten eine Revision verhindern, die Ihnen weitere Auflagen aufbürdeten. Am liebsten wollten sie alles so lassen, wie es ist.
Nationalrat Lorenz Hess (SVP/BE) fand, dass die Interessen der Lebensmittelproduzenten zuwenig berücksichtigt wurden. «Es kann ja nicht sein, dass man künftig eine Hochzeittorte mit einem langen Beipackzettel liefern muss», sagt Hess. «Wer diesen Artikel mit dem Pferdefleisch-Skandal in Verbindung bringt, vergleicht Birnen mit Nüssen. Wer betrügen will, findet immer einen Weg. Auch mit dem neuen Gesetz».
Ebenfalls nicht einverstanden mit der Revision des Lebensmittelgesetzes ist der Branchenverband Gastrosuisse. Präsident Bernhard Kuster sagt: «Beim neuen Gesetz geht man davon aus, dass der Konsument mehr Informationen erhält. Aber das ist falsch.» Es gebe einzig mehr Bürokratie, denn viele Beanstandungen hätten nichts mit Hygiene zu tun.
Nationalrat Bruno Pezzatti (FDP/ZG) hält den Kritikern entgegen: «Für diese Revision wurden bereits 70 Prozent aller Anliegen der verschiedenen Branchen berücksichtigt.»
Auf der Zunge zergehen lassen
Das Dusch- und Badewasser soll nicht dem Lebensmittelgesetz unterstellt werden. Der Nationalrat hat mit 110 zu 65 Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen, einen entsprechenden Artikel zu streichen. Gesundheitsminister Alain Berset rief den Rat vergeblich dazu auf, dem Bundesrat zu folgen und den Streichungsantrag abzulehnen. Es gehe um die Qualität des Wassers in Badeanstalten, insbesondere um die Verschmutzung durch Legionellen.
Für den Badewasser-Artikel sprach sich die Linke aus. Valérie Piller (SP/FR) wies darauf hin, dass die Legionellen-Fälle in Badeanstalten in den vergangenen Jahren zugenommen hätten. Die Mehrheit befand jedoch, es sei nicht einzusehen, was das Dusch- und Badewasser im Lebensmittelgesetz verloren habe. Thomas de Courten (SVP/BL) warnte vor einem weiteren «Tummelplatz behördlicher Kontrollen».
Wenn es nicht so unappetitlich wäre, müsste man sich den Badewasser-Artikel auf der Zunge zergehen lassen, stellte er fest. Im Artikel war von Wasser die Rede, «das dazu bestimmt ist, mit dem menschlichen Körper in Kontakt zu kommen».
Nein zu Futtermittel-Artikel
Umstritten war auch, ob Futtermittel dem Lebensmittelgesetz unterstellt werden sollten. Der Nationalrat sprach sich im Einklang mit dem Bundesrat dagegen aus, mit 106 zu 67 Stimmen bei einer Enthaltung.
Eine linke Minderheit hatte beantragt, den Geltungsbereich des Gesetzes auszuweiten - nicht zuletzt unter dem Eindruck des jüngsten Skandals um Schimmelpilz in Futtermais. Die Mehrheit befand jedoch, dies sei unnötig, denn die Sicherheit der Futtermittel sei im Landwirtschaftsgesetz geregelt, die Kontrolle funktioniere.