Die Eierproduktion hat eine verdrängte Schattenseite – auch in der Schweiz, wo Produzenten häufig die Tierhaltung rühmen. Millionen von männlichen Eintagsküken werden vergast und zum Teil weggeworfen. Auch in der Bio-Landwirtschaft. «Kassensturz» kritisiert diesen Zustand seit Jahren.
Der Grund für das Kükentöten: Hühnerrassen, die viele Eier legen, sind nicht geeignet für die Mastproduktion. Sie nehmen nicht schnell genug zu. Daher gibt es heute zwei extrem gezüchtete Hühner-Typen: Legehennen und Masthühner. Die Brüder der späteren Legehennen sind für die Weiterverarbeitung nicht wirtschaftlich. Sie legen keine Eier und sind nicht rentabel für die Mast. Sie werden darum vergast, für die Tierfütterung verwendet oder verbrannt.
Es geht auch ohne Küken-Tötung
Wie es anders geht, zeigt die Eierbranche in Österreich. Seit Anfang Jahr töten die grossen Brütereien im Bio-Bereich kein einziges Küken mehr. Die Bio-Eierproduzenten haben eine Branchenlösung gefunden und ziehen auch die Junghähne auf.
Spar, Lidl, die Aldi-Tochter Hofer, Billa und Merkur verkaufen seit einigen Wochen die Eier der Bio-Hennen und künftig auch das Fleisch der Bruderhähne. Je nach Anbieter soll das Fleisch der Junghähne als Charcuterie, Wurst oder aber auch als Edelstück, wie Filet, verkauft werden.
Quersubvention über höhere Eierpreis
Der Preis dieser Branchenlösung für die Konsumenten: Die Eier werden etwas teurer. Nur so rechnet sich die Aufzucht der jungen Bruderhähne. Beim Detailhändler Merkur etwa, der zum Rewe-Konzern gehört, schlägt das Sechserpack Eier von 3,09 Euro auf 3,19 Euro auf, um 10 Cents also. Andere Läden rechnen mit 20 Cents Aufpreis.
Pionierbetrieb in Malans in der Schweiz
In der Schweiz haben erst einzelne Landwirte die Idee adaptiert. Einer von ihnen ist der Biobauer Roman Clavadetscher. Rund 150 junge Hähne leben zurzeit auf seinem Hof im bündnerischen Malans. Als Teilhaber einer grossen Brüterei kennt der 43-jährige Landwirt das Problem aus eigener Erfahrung: «Dass die männlichen Küken gleich nach dem Schlüpfen getötet werden, das war mir schon immer ein Dorn im Auge. Das ist nichts Schönes.»
Clavadetscher schaute den österreichischen Biobauern über die Schultern und setzte auf die gleiche Hühnerrasse. Nach fünf Monaten bringt Clavadetscher die jungen Hähne dem Dorfmetzger in Malans zum Schlachten. Die Hähne werden ganz verkauft oder Teile davon, wie zum Beispiel Brust oder Schenkel.
Der Bauer bietet die Produkte unter dem Label «Henne und Hahn» seit wenigen Wochen in seinem Hofladen und übers Internet an. Um das Junghahnprojekt zu finanzieren, kosten die Bioeier unter diesem Label drei Rappen mehr pro Ei. Obschon sich die Produkte gut verkaufen, sei er noch in der Verlustzone.
Damit sich diese Alternative zum massenweisen Töten der männlichen Küken in der Schweiz richtig durchsetze, müssten auch die Konsumentinnen und Konsumenten bereit sein, den nötigen Aufpreis zu zahlen, sagt Biobauer Roman Clavadetscher. Und die Verbände und Grossverteiler stünden in der Pflicht.
KAG Freiland fordert Bio-Branche zum Handeln auf
Die Organisation KAG Freiland fordert nun gegenüber «Kassensturz» die Bio-Branche zum Handeln auf: «Die Brütereien müssten auf andere Elterntier-Linien gehen. Wir bräuchten einen Schlachthof, der diese Jungtiere schlachtet, und der Detailhandel müsste die Tiere vermarkten, sagt Nutztierspezialistin Tanja Kutzer im «Kassensturz». So sei es möglich, innert kurzer Zeit das Kükentöten zu beenden. «Wenn man sich auf den Bio-Bereich fokussiert, dann sind wir in zwei Jahren auch so weit», so Tanja Kutzer.
Coop setzt auf «Zweinutzungshuhn»
Ist das österreichische Model auch die Lösung für die Schweiz? Als Pionier in der Schweiz gilt Coop. Der Detailhändler erprobt seit 2014 auf zwei Bauernhöfen die Aufzucht eines sogenannten Zweinutzungshuhns. Auch hier überleben alle Küken.
Anders als in Österreich soll diese Hühnerrasse aber beides gleich gut können: Die Hühner sollen genügend Eier legen und die Hähne sollen in der Mast reichlich Fleisch ansetzen. Beides soll rentieren. Fachleute kritisieren aber: Hahn und Henne seien ineffizient und deshalb werde sich das Zweinutzungshuhn nicht durchsetzen als breitere Lösung.
Coop entgegnet, man habe positive Resultate. «Mit diesen Testversuchen wollen wir eben herausfinden, ob das eine Lösung sein kann, die auch massentauglich ist», sagt Roland Frefel, Leiter Frischprodukte bei Coop im «Kassensturz». Bald kämen zwei neue Betriebe hinzu.
Eierbranche sieht derzeit keine Lösung
Bei der Migros hingegen findet das österreichische Modell Anklang. Migros schreibt: «Wir verfolgen einen ähnlichen Weg wie die Österreicher. Wir rechnen damit, dass die Ergebnisse unserer Forschung noch dieses Jahr vorliegen werden. Entsprechen diesen unseren Vorstellungen, werden wir die Umsetzung rasch angehen.» Konkretere Angaben zum Stand ihrer Untersuchungen und zu ihren Plänen macht Migros auch auf Nachfrage nicht.
Anders tönt es bei der Vereinigung der Eierproduzenten Gallosuisse. Präsident Jean Ulmann sieht derzeit keine Lösung. Vor allem die Verwertung der mageren Junghähne sei schwierig: «Ein männliches Güggeli wird niemals Fleisch ansetzen wie ein Mastpoulet. Das gibt Probleme in der Schlachterei. Und wer kauft nachher das Güggeli?», fragt Jean Ulmann.