Die Geschichte eines Quereinsteigers– von einem, der etwas wagen wollte: Vor gut vier Jahren war es, als Heinz Tschiemer, knapp dreissig, junger Vater, gelernter Bauer, betriebswirtschaftlich weitergebildet, toller Job als Produktmanager bei einer Firma für Stalleinrichtungen, sagte: «Fertig Schluss. Ich werde selbständig. Und baue hier oben jetzt Alphörner». Denn: «Dieser Klang hat etwas, das jeden berührt.»
Alphörner als Lebensmittelpunkt
«Das war schon ein grosser Schritt für uns alle, denn wir wussten ja nicht, ob es gut kommt», kommentiert seine Frau Marietta die Entscheidung.
Die Fertigung von Alphörnern wurde zum festen Lebensbestandteil für alle Familienmitglieder. Die Frau arbeitet mit und auch für die mittlerweile drei Buben gehören Alphörner zum Alltag. Der kleine Jan greift zu einem Alphornmundstück und zeigt, wie es geht mit dem Alphornblasen und wo der Ton «usi» kommt.
Tschiemers Vater, Sägereibesitzer in Habkern, hatte jahrelang einen Alphornbauer im Unterland mit dem hochwertigen, heimischen Fichtenholz beliefert. Als der Instrumentenbauer altershalber aufhören wollte, suchte er einen Nachfolger.
Angst hilft nicht weiter
Der junge Tschiemer überlegte, rechnete, machte einen Businessplan. Er fand dort, wo früher der Dorfladen war, die Räume für eine Werkstatt. Fast 650‘000 Franken Fremdkapital nahm die Familie auf, bis es losgehen konnte. Viel Geld für einen Zwei-Mann-eine-Frau-Betrieb. Die Tschiemers haben eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, für den Fall, dass es bei einem Misserfolg nicht mit einem Privatkonkurs endet.
Und doch: «Die Banken haben uns gewarnt. Wenn es die GmbH ‹lupft›, dann bezahlen wir ein Leben die Schulden ab». Aber die Tschiemers wollten es wagen. Das geschehe viel zu selten, sagt Tschiemer. Viele in seiner Generation hätten Angst, etwas zu wagen. «Das ist ein Problem, denn so kommen wir nicht weiter.»
Wertschöpfung bleibt im Tal
Bis zu 60 Alphörner produzieren Tschiemers heute im Jahr. Kosten pro Stück: 3500 bis 4000 Franken. Ein Drittel der Produktion geht ins Ausland. Bis nach Korea und Japan.
Vom Holz für das Horn bis zum letzten Schliff am fertigen Instrument werden alle Produktionsschritte im Umkreis von sechs Kilometern gemacht. Die gesamte Wertschöpfung geschieht somit lokal. Mit Werkstattführungen und Alphorn-Workshops locken die Tschiemers überdies jährlich gegen 3000 Interessierte ins 650-Seelen-Dorf Habkern.
Gemeinderätin Hanni Jorns freut sich über Tschiemers Start-up-Betrieb: «Er bringt Umsatz für die anderen Gewerbe im Dorf und macht Werbung für unseren Ort.»
…und Arbeitsplätze auch
Drinnen neben Tschiemers Werkstatt, wo zum Teil mit computergesteuerten Hochpräzisionsmaschinen gearbeitet wird, macht der Profimusiker Sami Lörtscher gerade die Alphornqualitäts-Kontrolle. Er findet es wichtig, dass die Region nicht nur auf den Tourismus setzt, sondern auch auf das Gewerbe. Schliesslich verschaffe ihm der Alphorn-Betrieb Arbeit.
Das sei ein wichtiger Punkt, sagt Marietta Tschiemer, «denn wenn alle auswärts arbeiten, würde irgendwann niemand mehr hier im Berggebiet wohnen».