Die Tessiner Exekutive regiert neu ganz ohne Frauen. Die bisherige FDP-Regierungsrätin, Laura Sadis, trat nicht mehr an. Ihren Platz übernahm ihr Parteikollege Christian Vitta. Die restlichen Regierungsparteien stellten nur männliche Kandidaten.
Ein ähnliches Szenario wird beim zweiten Wahlgang des Luzerner Regierungsrats am 10. Mai erwartet. Die aktuelle Vorsteherin des Justizdepartements, Yvonne Schärli, soll durch ihre Kollegin, die SP-Parteipräsidentin Felicitas Zopfi, ersetzt werden. Doch diese hat nicht die besten Karten.
Die zwei noch zu besetzenden Sitze könnten an den SVP-Kandidaten Paul Winiker und den bisherigen parteilosen Finanzdirektor Marcel Schwerzmann gehen. Trifft dieses Szenario ein, wird der Luzerner Regierungsrat ebenfalls nur noch aus Männern bestehen.
Ein etwas anderes Bild zeichneten die Zürcher Regierungsratswahlen. Mit der Wahl von Silvia Steiner (CVP), Carmen Walker Späh (FDP) und Jacqueline Fehr (SP) sind künftig drei statt wie bisher zwei Frauen im Zürcher Regierungsrat. Mit 43 Prozent liegt der Frauenanteil in der Zürcher Kantonsregierung deutlich über dem schweizweiten Durchschnitt von 24,7 Prozent.
Erste Regierungsrätin ab 1983
Frauen sind seit 1983 in den Kantonsregierungen vertreten. Ihre Repräsentation startete mit einem bescheidenen Anteil von 0,6 Prozent – eine einzige Frau auf 167 Männern. Den ersten Schritt zu mehr Frauen in den kantonalen Exekutiven wagten damals die Zürcher mit der Wahl der Sozialdemokratin Hedi Lang. Bis 1995 stieg der Frauenanteil schweizweit auf 11,4 Prozent und verdoppelte sich 1999 nahezu. Seither schwankt er zwischen 19,2 und 24,7 Prozent.
Dass sich der Frauenanteil in den Kantonsregierungen seit 1999 kaum erhöhte, hat der Politologin Sarah Bütikofer zufolge verschiedene Gründe. In den 90er Jahren habe es grosse Bemühungen gegeben, Frauen in die Politik zu holen und zu etablieren. «Der Elan ist seither etwas zurückgegangen. Aus Sicht einiger Parteien gibt heute keine Notwendigkeit mehr, dran zu bleiben, denn es wurde ja einiges erreicht.»
Ein anderer Grund ist gemäss Bütikofer der Umstand, dass Regierungsratsmandate nicht leicht zu ergattern sind. Voraussetzungen dazu seien viel politische Erfahrung, im richtigen Moment der richtigen Partei anzugehören und ein grosses Engagement – Voraussetzungen also, die für Frauen und Männern mit familiären Verpflichtungen nicht leicht zu erfüllen sind.
Doch auch die Tatsache, dass sich weniger Frauen als Männer stark für Politik interessieren und seltener politische Karriere anstreben, könnte gemäss Bütikofer erklären, warum Frauen in Kantonsregierungen untervertreten sind.
Grosse regionale Unterschiede
Gegenwärtig schwankt der Frauenanteil in den Kantonsregierungen zwischen Null im Tessin und 57 Prozent im Kanton Waadt. Eine wichtige Rolle zur Erklärung der regionalen Unterschiede spielt Bütikofer zufolge die Stärke der linken Parteien im jeweiligen Kanton.
«Die Grünen und die Sozialdemokraten unterstützen Frauenkandidaturen stärker als andere Parteien. Dazu kommt, dass diese Parteien auch mehr Frauen anziehen, die dann aufgebaut werden können.» Im Tessin, wo die linken Parteien schwächer als in der Westschweiz vertreten seien, hätte es entsprechend auch weniger Kandidatinnen für politische Ämter.
Der hohe Frauenanteil in der Regierung des Kantons Waadt überrascht Sarah Bütikofer nicht: «Die Westschweizer Kantone sind hinsichtlich der Integrierung der Frauen in die Politik schon immer viel weiter gewesen.» Wie Bütikofer erklärt, hätten sie schon vor 1971 Frauenstimmrechte auf Kantons- und Gemeindeebene eingeführt. Auch gäbe es in der Westschweiz schon länger prägende Frauenfiguren wie Christiane Brunner, Ruth Dreyfuss und Micheline Calmy-Rey.
Frauenanteil quo vadis?
Ob Kantonsregierungen weiterhin hauptsächlich in Männerhänden bleiben, hängt Bütikofer zufolge weitgehend vom Wahlerfolg der Parteien und deren Frauenförderung ab. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik variiert nämlich der Frauenanteil in den Kantonsregierungen erheblich in Abhängigkeit der politischen Couleur.
So haben die Grünen und die BDP 2015 prozentual am meisten Regierungsrätinnen vorzuweisen: beide Parteien haben einen Frauenanteil von 50 Prozent. Am wenigsten Regierungsrätinnen hat die Lega, nämlich gar keine. Die SVP und die CVP bringen es immerhin auf 14,3 Prozent beziehungsweise 12,5 Prozent. Die SP hat in den Kantonsregierungen einen Frauenanteil von 45,2, die FDP von 26,8.
Für Bütikofer ist klar: «Verlieren zum Beispiel die Grünen und die Sozialdemokraten Sitze in Exekutive und Legislative, wird der Frauenanteil stagnieren oder sinken. Umgekehrt könnte er steigen, wenn erstarkte Parteien wieder vermehrt auf Frauen setzen.»