- Schweizer Kinderspitäler schreiben im ambulanten Bereich tiefrote Zahlen.
- Im März hat Bundesrat Berset bei den Tarmed-Tarifen Anpassungen vorgenommen.
- Diese stellen die ambulante Kindermedizin noch schlechter, sagen Kinderspitäler.
- Behandlungen in der ambulanten Kindermedizin seien mit dem neuen Tarif teilweise nur noch zu 50 Prozent gedeckt.
- Momentan liegt die Kostendeckung bei 60-70 Prozent. Die Finanzierungslücke wird von den Kantonen gestopft.
Kinder zu behandeln, braucht Fingerspitzengefühl, Geduld und Zeit. Schon eine Blutentnahme kann zu einem aufwändigen Unterfangen werden. Zudem braucht es für Neugeborene andere Geräte als für Pubertierende – die teuren Maschinen sind deshalb schlecht ausgelastet.
Weder der zusätzliche Personalaufwand noch die teure Infrastruktur werde jedoch im Tarmed-System genug berücksichtigt, kritisiert Agnes Genewein von der Allianz Schweizer Kinderspitäler. Die ambulante Kindermedizin schreibe schon jetzt «tiefrote Zahlen»:
Aktuell werden die Verluste noch durch verschiedene Kantone gedeckt. Glücklicherweise können wir damit noch überleben – mit dem neuen Tarifeingriff sind wir uns da nicht mehr so sicher.
Der neue Tarifeingriff von Bundesrat Berset stelle die ambulante Kindermedizin in den Spitälern noch schlechter, sagt Genewein. Denn die sogenannten technischen Leistungen – dazu gehören Personal und Infrastruktur – werden gekürzt. Zudem wird die Dauer einer Behandlung beschränkt.
Besondere Patienten
Das möge für einen durchschnittlichen Erwachsenen funktionieren, sagt Rolf Temperli vom Verband Schweizer Haus- und Kinderärzte, «aber gerade in der Kindermedizin braucht es häufig länger. Da ist es nicht sinnvoll, wenn der Tarif künstlich limitiert wird.»
Temperli arbeitet in einer Praxis. Den Kinder-Praxen geht es besser als den Spitälern, sie sind weniger spezialisiert, die Behandlungen nicht so aufwändig. Ausserdem werden die Grundversorger, also Hausarzt-Praxen und damit auch die Kinder-Praxen, von Bundesrat Berset jetzt gestärkt.
Das sei gut, sagt Temperli, aber es müsse auch in den Spitälern etwas passieren: «Diese Berechnungen hat der Bundesrat mit dem aktuellen Tarifeingriff noch nicht gemacht.» Massive Nachbesserungen seien nötig, betont auch Genewein. Bleibe die ambulante Kindermedizin derart defizitär, «können wir die Kinderspitäler eigentlich nicht mehr halten.»
Das Bundesamt für Gesundheit erwidert, dass die Vernehmlassung zum neuen Tarifeingriff nun laufe. Die Kindermediziner könnten sich dort mit ihrer Kritik einbringen. Will die ambulante Kindermedizin langfristig bessere Bedingungen, muss sie aber nicht nur punktuelle Verbesserungen erreichen, sondern sich in der umfassenden Revision von Tarmed durchsetzen.
Fallbeispiel aus der ambulanten Kinderchirurgie nach dem Tarifeingriff durch den Bundesrat:
Erfasst ist neben der operativen Leistung auch das Gespräch vor und nach der Operation, dazu kommen u.a. Personal- und Infrastrukturkosten. Die Gesamtkosten senken sich um 21 Prozent auf 629 Taxpunkte (je nach Taxpunktwert und Kanton sind das 516-604 Franken).