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Nabelschnurblut – Lukratives Geschäft mit der Angst
Aus Puls vom 23.09.2019.
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Lagerung von Nabelschnurblut Fragwürdiges Geschäft mit Hoffnung und Angst

  • Nabelschnurblut enthält Stammzellen, die im Kampf gegen Blutkrankheiten wie die Leukämie wertvoll sind.
  • Private Stammzellbanken lagern Nabelschnurblutproben gegen Entgelt für 20 bis 25 Jahre ein.
  • Öffentliche Stammzellbanken stellen höhere Qualitätsanforderungen an die Blutproben. Für deren Entnahme und Einlagerung kommt die Allgemeinheit auf.

Was Leukämie bedeutet, braucht man Michael Gianotti nicht zu erklären. Mit 27 Jahren erkrankte er am Blutkrebs und überlebte, obwohl mangels passendem Spender keine Stammzellentransplantation möglich war.

Bei der Geburt seiner beiden Söhne Raul und Lio war es deshalb für ihn keine Frage, dass das Nabelschnurblut abgezapft und tiefgefroren in einer Stammzellbank eingelagert wird. «Für den Fall, dass es einer meiner Söhne auch einmal mit Leukämie zu tun bekommt.»

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«Ich mache das für den Fall, dass die Leukämie einmal einen meiner Söhne trifft.»
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Das Einlagern von Nabelschnurblut bei kommerziellen Anbietern ist beliebt. Rund eine Million Blutproben lagern hierzulande bei solchen Firmen. Ein lukratives Geschäft: Für 20 bis 25 Jahre Lagerzeit werden gut 4000 Franken fällig.

Dass Nabelschnurblut einen Nutzen hat, ist unbestritten. Es enthält Stammzellen, die der Blutbildung und dem Immunsystem zum Beispiel nach einer strapaziösen Chemotherapie oder Bestrahlung wieder auf die Sprünge helfen können.

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«Nabelschnurblut enthält hämatopoetische Stammzellen. Die kommen zum Beispiel in Frage für eine Transplantation bei einem leukämiekranken Kind.»
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Die privaten Stammzellenbanken versprechen aber weit mehr als nur das: Mit Slogans wie «Wir kümmern uns um ihre Zukunft» wird Hoffnung gemacht, dass dereinst noch ganz andere Leiden dank Stammzellen aus dem eigenen Nabelschnurblut geheilt werden können: Autismus, Diabetes, Parkinson – wer möchte dann nicht die Grundlage für seine Heilung zur Hand haben?

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«Aus heutiger Sicht muss man sagen: Diese ‹Versicherung fürs Leben› braucht es nicht.»
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Für Forscher und Ärzte gehören diese Anwendungen klar in den Bereich von Science Fiction. Zumal sich die grundsätzliche Frage stellt, ob die kommerziell eingelagerten Blutproben nur schon für eine anerkannte Therapie taugen würden. Die Anforderungen sind nämlich deutlich tiefer als bei öffentlichen Stammzellbanken.

Schweizweit wird nur in zehn Kliniken Nabelschnurblut für die öffentlichen Banken entnommen. Und der Ablauf ist von der ersten Minute an streng vorgegeben.

Nabelschnurblut spenden

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In der Schweiz ist es nur in wenigen Spitälern möglich, Nabelschnurblut für die öffentlichen Stammzellbanken in Basel und Genf zu spenden.

In der Deutschschweiz sind das die Frauenklinik des Inselspitals Bern, die Universitätsklinik Basel und das Kantonsspital Aarau.

Darüber hinaus ist die Spende im Universitätsspital Genf und in verschiedenen Tessiner Spitälern möglich.

Mehr Informationen: www.nabelschnurblutspende.ch

Wiegt die Blutprobe nicht mindestens 120 Gramm, enthält sie wahrscheinlich nicht genügend Stammzellen. Wobei es ohnehin schwierig ist, qualitativ genügende Proben zu erhalten. «Bei neun Müttern, die in Frage kommen, entnehmen wir bei fünf eine Probe. Und davon lagern wir schliesslich nur eine ein», weiss Dimitros Tsakiris, Blutspezialist am Universitätsspital Basel.

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«Im Schnitt wird von neun potenziellen Spenden nur eine eingelagert, weil nur die den qualitativen Ansprüchen entspricht.»
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Eine derart rigorose Selektion findet bei den privaten Anbietern nicht statt – sie wäre dem Geschäft auch kaum förderlich.

Kieron Edwards-Pritchard, Stammzellen-Wissenschaftler bei Future Health: «Wir überprüfen alle Proben. Liegen sie laut unseren Tests unter einem gewissen Schwellenwert, werden sie nicht eingelagert.»

Blutstammzellen spenden

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Bei lebensbedrohlichen Blutkrankheiten wie Leukämie ist eine Blutstammzell-Transplantation oft die einzige Hoffnung auf Heilung. Die Chance, eine passende Spenderin oder einen passenden Spender innerhalb der eigenen Familie zu finden, liegt bei 20 bis 30 Prozent. In allen anderen Fällen sind die Betroffenen auf einen fremden Spender angewiesen.

Damit eine Blutstammzellspende erfolgreich ist, müssen die Gewebemerkmale von Spender und Patient möglichst identisch sein. Das ist selten, da es Milliarden verschiedener Merkmalskombinationen gibt. Je mehr Menschen registriert sind, desto vielfältiger wird das Register und desto höher die Chance, für Betroffene eine passende Spende zu finden. Aktuell werden gesamtschweizerisch nur rund 60 Blutspenden pro Jahr benötigt.

Als registrierte Spenderinnen oder Spender kommen Menschen zwischen 18 und 55 in Frage, die in guter gesundheitlicher Verfassung sind und in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein krankenversichert sind.

  • Der erste Schritt ist die Aufnahme ins Register für Blutstammzellspender. Dazu werden die Gewebemerkmale des potenziellen Spenders bestimmt und in ein internationales Register eingetragen.
  • Zum zweiten Schritt, der Spende, kommt es erst, wenn die Gewebemerkmale zu einem Patienten passen. In 80 Prozent aller Fälle wird das Blut ähnlich einer normalen Blutspende peripher gewonnen. Die Entnahme aus dem Knochenmark erfolgt unter Vollnarkose.

Mehr Informationen: www.blutspende.ch

Auf einen fixen Schwellenwert will sich der Dienstleister von Michael Gianotti aber nicht festlegen lassen: «Wir schauen es uns von Fall zu Fall an, haben aber eine Minimumgrenze.»

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«Wir haben einen Schwellenwert und entscheiden von Fall zu Fall, ob eine Probe genügend ist. Öffentliche Banken brauchen eine höhere Anzahl Stammzellen.»
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Das Gesundheitsmagazin «Puls» machte die Probe aufs Exempel: Reichen die eingelagerten Zellen der Familie Gianotti für eine Leukämie-Behandlung?

Blutspezialist Tsakiris ist skeptisch. Für eine öffentliche Bank wären die Blutmenge der Proben der beiden Söhne zu klein gewesen. Zudem enthält Rauls Probe mit 1,16 Millionen Stammzellen zu wenig Material für eine jetzige Transplantation.

Ein Dämpfer für den besorgten Familienvater. «Aber wahrscheinlich hätte ich mich trotzdem fürs Einfrieren lassen entschieden.»

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«Eine Info über die geringe Stammzellenzahl wäre sicher gut gewesen. Am Entscheid fürs Einfrieren hätte es aber wohl nichts geändert.»
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Sicher ist sicher. Die Verheissungen der kommerziellen Anbieter zeigen nach wie vor Wirkung. Wer mit dem Gedanken spielt, mehrere Tausend Franken ins Prinzip Hoffnung zu investieren, sollte allerdings folgendes berücksichtigen:

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nabelschnurblut-Stammzellen jemals zum Einsatz kommen, ist relativ klein. Wissenschaftler gegen von einer Chance von 1:1000 bis 1:2000 aus.
  • Es gibt keine Garantie, dass eingelagerte Stammzellen im Eigenblut nicht ebenso krank werden wie die später im Leben gebildeten.
  • Im Notfall haben Patienten Zugriff auf die öffentlichen Stammzellenbanken mit Fremdspenden. Hierzulande sind über 4000 Proben eingelagert, weltweit rund eine Million. Die nichtkommerziellen Zellbanken arbeiten international eng zusammen und helfen einander bei Bedarf gegenseitig aus.
  • Registrierte Stammzellenspender sind eine weitere Quelle. Wer sich registrieren lässt, wird erst dann zur Knochenmark-Blutspende gebeten, wenn ein Patient die passenden Gewebemerkmale aufweist.
  • Stammzellen aus Knochenmark sind jenen aus der Nabelschnur ebenbürtig. Bei künftigen Therapien können also im Kindes- oder Erwachsenenalter auch frisch gewonnene Stammzellen aus dem eigenen Knochenmark verwendet werden.

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«Stammzellen aus dem Knochenmark sind ebenso gut.» Studiogespräch mit Tayfun Güngör, Experte für Stammzell-Transplantation am Kinderspital Zürich.
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