Streit in der Waschküche, eine Ohrfeige in einer Bar, Ärger wegen Lärm zu später Stunde: Solche Konflikte drohen schnell zu eskalieren – nicht selten zerren sich die Streithähne vor den Richter. Eine zermürbende und kostspielige Eskapade für alle Beteiligten. Das muss aber nicht sein: Der Mediator Thomas Lyssy hilft, solche juristischen Hickhacks aussergerichtlich zu lösen. Er ist Leiter eines Pionierprojekts bei der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland.
Gerechtigkeit kann für verschiedene Personen etwas ganz anderes bedeuten.
Thomas Lyssy baut Brücken – Brücken zwischen Streithähnen. Das Entscheidende sei dabei: «Es muss gelingen, dass, aus der Perspektive des Opfers, Gerechtigkeit geschieht», sagt Lyssy, Leiter der Fachstelle für Vergleichsverhandlungen im Baselbiet und ergänzt: «Gerechtigkeit kann für verschiedene Personen etwas ganz anderes bedeuten.» Das gehe von einer ernst gemeinten Entschuldigung bis hin zu Vereinbarungen, wie sich Personen künftig aus dem Weg gehen wollen.
Einigen sich die Streitparteien auf eine Mediation, versucht Lyssy als Erstes einen sogenannten Perspektivenwechsel zu vermitteln: «Ich will, dass die beschuldigte Person versteht, warum sie angezeigt wurde.» Und umgekehrt müsse auch die Person, die die Anzeige eingereicht hat, ein gewisses Verständnis für das Handeln der anderen Partei aufbringen.
Lyssy erklärt das Prinzip des Perspektivenwechsels an einem Beispiel. Dabei geht es um den Klassiker: Streit in der Waschküche, kombiniert mit interkulturellen Kommunikationsproblemen. Eine Schweizerin und eine Türkin seien sich wegen des Wäscheplans in die Haare geraten. Nach einem hitzigen Wortgefecht hatte die Schweizerin eine Anzeige eingereicht. «Im Gespräch haben wir dann herausgefunden, dass sich die Schweizerin bedroht gefühlt hatte. Und das, obwohl sie die Türkin gar nicht verstanden hatte, weil sie in ihrer Muttersprache gestritten habe», erzählt Lyssy.
Im Gespräch, auch mit einer Dolmetscherin, hätten sich die beiden Frauen gegenseitig erklären können. «Es hat sich gezeigt, dass die türkische Frau eigentlich keine Probleme mit der anderen Frau hat. Wegen mangelndem gegenseitigem Verständnis ist der Streit trotzdem eskaliert.» In der Mediation konnten beide Verständnis füreinander aufbringen und den Streit beilegen.
In der Mediation gebe es durchaus auch kleine «Wundermittel», schildert Lyssy. Ein Trick sei zum Beispiel diese Frage: «Wenn Sie morgen aufwachen – und es ist alles gut. Wie ist es dann?» Lyssy sagt, wenn sich beide Parteien auf ein solches Gespräch einlassen, könne das Wunder wirken.
Ja, es gibt auch die unlösbaren Konflikte
Natürlich gebe es aber auch Fälle, bei denen auch die «Wundermittel der Mediation» nicht wirken würden. «Wenn der Streit bereits viele Jahre alt ist, dann wird es schwierig.»
Der Zoff könne zum Lebensinhalt werden, schildert Lyssy. Und der Nachbarschaftsstreit mutiere quasi zur Vollzeitbeschäftigung. Oft gebe es aber eine Lösung – und diese dürfe auch unkonventionell sein: «Man muss die Leute manchmal auch etwas zu ihrem Glück – oder zum Frieden führen», meint Lyssy lachend.
Wenn Sie morgen aufwachen – und es ist alles gut. Wie ist es dann?
Dabei ist er überzeugt, dass eine Mediation nachhaltigere Lösungen bringe als ein Richterspruch. Wichtig sei dabei, dass als Lösung des Konflikts ganz individuelle Vereinbarungen möglich sind. «Wenn Person A auf Person B triff, wechselt sie die Strassenseite und nimmt ihren Hund an die Leine», nennt Lyssy als Beispiel.