Noch Ende des 19. Jahrhunderts hatten Frauen weder öffentliche Rechte noch Anspruch auf Ausbildung. Die Rolle der Frau zu stärken, war deshalb auch Hauptziel des Dachverbands Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen (SGF). 1888, vor 125 Jahren, wurde er gegründet. Frauen sollten durch den Dachverband Zugang zu Weiterbildung erhalten – Ausbildung in Hauswirtschaft, Ernährungskunde, Pflege und Erziehung. Im Gründungsjahr waren dem Verband 1200 Mitglieder angeschlossen. Heute zählt er rund 64‘000. Damals wie jetzt sind die Frauen Schwerpunkt seiner Arbeit.
Der SGF ist nicht der älteste Verein für Freiwilligenarbeit in der Schweiz. Gemeinnützige Arbeit ist schon lange ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Umsonst oder für Gottes Lohn zu arbeiten ist in der Schweiz weit verbreitet. Das Engagement im Bereich der informellen Freiwilligenarbeit ist recht hoch, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) in der letzten Erhebung feststellt. Gut jeder fünfte – 21 Prozent – leistet so genannte «Informelle Freiwilligenarbeit». Unter dieser unbezahlten Arbeit versteht der Statistiker zum Beispiel Leistungen an Dritte wie Nachbarschaftshilfe, Kinderbetreuung oder Pflege und Betreuung von Verwandten und Bekannten.
1,3 Millionen Menschen sind somit in diesem Bereich der unbezahlten Arbeit tätig. Dabei zeigen sich regionale Unterschiede: In der Deutschschweiz engagieren sich mehr Personen als in der Romandie oder im Tessin. Das BFS stellt aber auch Unterschiede zwischen Stadt und Land fest. So wird auf dem Land mehr Freiwilligenarbeit geleistet als in der Stadt.
Auch eine Frage von Netzwerken
Auch zwischen den Kantonen sind die Unterschiede immens. So bewegt sich die Beteiligungsquote bei der Freiwilligenarbeit zwischen 15 Prozent im Kanton Tessin und 33 Prozent im Kanton Uri. Das BFS erklärt sich diese Unterschiede mit kulturellen Aspekten. Aber auch Unterschiede in der freiwilligen Tradition seien nicht von der Hand zu weisen.
Dass auf dem Land mehr gemeinnützige Arbeit geleistet wird, begründet das BFS damit, dass in ländlichen Gebieten familiäre und nachbarschaftliche Netzwerke ausgeprägter sind. Auf dem Land hilft man sich eher aus, weil auch die Dichte an professionellen Betreuungsangeboten für zum Beispiel Kinder oder Pflegebedürftige weniger gross sind.
Diese Entwicklung ist noch ausgeprägter bei der so genannten institutionalisierten Freiwilligenarbeit. So führt jede vierte Person laut BFS mindestens eine unbezahlte Freiwilligenarbeit im Rahmen von Organisationen oder Institutionen. Das sind 1,5 Millionen Menschen. Unter dieser Art von Freiwilligenarbeit versteht man zum Beispiel die Tätigkeit bei Sportvereinen, Kirchlichen Institutionen, öffentlichen Diensten oder politischen Parteien.
In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass sich hier Männer stärker engagieren als Frauen. Diese wiederum sind aktiver bei der Informellen Freiwilligenarbeit. Das BFS erklärt sich das zum einen damit, dass Männer mehr im Sportbereich aktiv sind. Zum anderen gehören auch in die Kategorie «öffentliche Dienste» auch die Freiwilligenarbeit bei der Feuerwehr oder ähnliches.
Aber auch bei der institutionalisierten Freiwilligenarbeit können ähnlich regionale Unterschiede festgestellt werden, wie sie dies auch bei der informellen unbezahlten Arbeit anzutreffen ist. Das BFS glaubt, dass dies damit zu erklären ist, dass es in der Westschweiz und im Tessin weniger Sportvereine gibt, wie in der Deutschschweiz.
Einfluss des Auslandes?
Einen interessanten Aspekt erklärt das BFS in der geografischen Verteilung der Freiwilligenarbeit. Die Statistiker aus Neuenburg glauben, dass der Einfluss Deutschlands und Österreichs auf die Nachbarkantone hat. So würden aktuelle Erhebungen zum freiwilligen Engagement zeigen, dass Deutschland mit 36 Prozent und Österreich mit 43 Prozent zur Gruppe der Länder mit einem hohen bis sehr hohen Anteil an Freiwilligen gehört. Dies färbt ab, wenn man bedenkt dass Frankreich mit 27 Prozent zur Gruppe im mittleren Bereich gehört. Italien wird zu den Ländern mit relativ niedriger Beteiligung an Freiwilligenarbeit gerechnet.
Nicht alles in der Freiwilligenarbeit geschieht wirklich freiwillig. Hausarbeiten, Kinderbetreuung und Pflege von Verwandten sind zum Beispiel unbezahlte Arbeiten, die mittlerweile einen hohen wirtschaftlichen Faktor haben. Laut einer Erhebung des BFS aus dem Jahr 2000 hat die Freiwilligenarbeit mehr als 26,7 Millionen Franken wert. Dabei hat die institutionalisierte Freiwilligenarbeit mit 17,4 Millionen den grösseren Anteil. Dieser wirtschaftliche Faktor ist nicht von der Hand zu weisen.