Kulasekararajasinham Chelliah ist bis heute unter Tamilen vor allem als Kulam bekannt. Unter diesem Kampfnamen leitete er die Schweizer Organisation der LTTE, der Liberation Tigers of Tamil Eelam. Er zählt zu den 13 Beschuldigten, die sich bald vor dem Bundesstrafgericht verantworten müssen – darunter ist auch ein nicht-tamilischer, ehemaliger Angestellter einer Schweizer Konsumkreditbank.
Zusätzliche Lohnausweise
Chelliah, alias Kulam, bestreitet gegenüber der «Rundschau» die schweren Vorwürfe der Bundesanwaltschaft. Die Anklage wirft ihm Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vor. Er sei als Schweizer Kopf der streng hierarchisch strukturierten LTTE dafür verantwortlich, dass über die tamilische Diaspora rund 15 Millionen Franken beschafft und auf versteckten Wegen nach Sri Lanka verschoben wurden. Dort könnte die LTTE das Geld auch für Terrorakte gegen Zivilpersonen eingesetzt haben, heisst es in der Anklageschrift.
Dass Geld gesammelt und zu diesem Zweck auch Konsumkredite aufgenommen wurden, geben die Tamilen zu. Die Bundesanwaltschaft taxiert das als gewerbsmässigen Betrug. Da die rund 150 involvierten Kreditnehmer zu wenig verdienten, stellte man ihnen im Namen eines tamilischen Vereins kurzerhand einen zusätzlichen Lohnausweis aus.
Die ungewöhnlichen Kreditanträge reichte immer der gleiche Vermittler bei der gleichen Bank ein: bei der Bank Now, einer Tochter der Credit Suisse. Die Bank habe dem Treiben jahrelang tatenlos zugesehen und trage deshalb eine Mitverantwortung, erklärt Marcel Bosonnet, Kulams Verteidiger. Die Bank selber teilt der «Rundschau» mit, sie befinde sich im Strafverfahren nicht auf der Anklagebank.
Tamilen zahlen heute noch ab
In der «Rundschau» schildern mehrere tamilische Kreditnehmer den Vorgang. Die betroffenen Familien zahlen die Kredite teils heute noch ab. Viele von ihnen erklären, dass sie – angesichts der Not ihrer Angehörigen in der Heimat – diese Geldbeschaffung freiwillig unterstützt hätten. Das Bundesstrafgericht wird aber auch Fälle verhandeln, die von den Anklägern als Erpressung eingestuft werden.
«Wir gingen zu allen nach Hause, um Geld zu sammeln», erklärt Kulam dazu. «An manchen Orten gingen wir auch zwei- oder dreimal. Das haben einige vielleicht anders verstanden.» Die Anklage hält dagegen die LTTE für eine hierarchisch organisierte Zwangsorganisation, die wie eine Mafia die tamilische Diaspora unter Druck setzte.
«Nie als Terrororganisation deklariert!»
Die zentrale Frage vor Bundesstrafgericht wird sein, ob die LTTE als kriminelle Vereinigung eingestuft wird oder nicht. In den Jahren 2005 und 2007 hielt es die Bundesanwaltschaft noch für «sehr verfehlt», ein Verfahren wegen organisierter Kriminalität zu eröffnen. Dies zeigen Akten, die der «Rundschau» vorliegen. Solange die Schweiz Friedensverhandlungen unterstütze, könne sie nicht einseitig in den Konflikt eingreifen.
«Die Schweiz hat die Tamil Tigers nie als Terrororganisation deklariert. Deshalb sind Spenden an diese Organisation auch keine Terrorismusfinanzierung», sagt Christoph Wiedmer von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GbV). Im 25jährigen Bürgerkrieg und vor allem in der Schlussphase vor 2009 hätten beide Seiten schwerste Kriegsverbrechen begangen. Dies sollte, wie es die UNO seit 2011 verlangt, von unabhängigen Instanzen aufgeklärt werden.
Vollständige Aufarbeitung der Geschichte
Seit dem Regierungswechsel in Colombo vor zwei Jahren signalisierte Sri Lanka die Bereitschaft, mit der der internationalen Gemeinschaft in der Frage der Kriegsaufarbeitung zu kooperieren. Doch in der Praxis sind kaum Fortschritte erkennbar, wie die renommierte International Crisis Group vor wenigen Tagen in einem Bericht moniert.
«Die Schweiz sollte sich dafür einsetzen, dass auch die Fehler der singalesischen Seite aufgearbeitet werden», fordert ex-LTTE-Schweiz-Chef Kulam in der «Rundschau». Christoph Wiedmer von der GbV betont, dass Kriegsverbrechen der LTTE nicht beschönigt werden dürften. Aber wenn die Bundesanwaltschaft einseitig auf die Tamil Tigers ziele, sehe das aus, «wie wenn das zu einer Unterstützung der Siegerjustiz wird.»