Täglich werden in der Schweiz 2000 Rinder, Kühe oder Kälber geschlachtet. Sie werden in einen Schlachthof transportiert, per Bolzenschuss betäubt, entblutet und ausgenommen. Tierschützer kritisieren seit langem, dass der letzte Tag im Leben eines Nutztiers mit grosser Angst und Stress verbunden sei.
Gewisse Bauern wollen deshalb die Tiere in gewohnter Umgebung schlachten. Diese «Hof- und Weide-Tötung» ist bisher bis auf einige Ausnahmen verboten.
Ein Biobauer als Pionier
Er wolle das Töten nicht an den Schlachthof delegieren, sagt Nils Müller, der als einer von sechs Bauern eine kantonale Spezialbewilligung hat. Seine Angus-Rinder kommen auf dem Hof im zürcherischen Forch zur Welt und sterben auch dort.
Der Biobauer greift deshalb selbst zum Gewehr. Er tötet das Rind von einem Hochsitz neben der Rinderkoppel mit einem gezielten Kopfschuss. Leicht falle ihm das nie: «Wenn ich jetzt sehe, dass es der Ursli ist, der mich anschaut, während ich ihm frontal in den Kopf schiesse, ist das emotional ein tragischer Akt. Ich habe eine unruhige Nacht davor.»
Aber gleichzeitig sei es auch ein schöner Moment, weil das Tier bis zur letzten Sekunde in der Herde stehe und sich wohlfühle, so Müller: «Der Ursli ahnt bis zum letzten Bissen nichts. Er fällt tot um, die Seele steigt auf. So sieht ein würdevoller Tod für meine Nutztiere aus.»
Der Ursli ahnt bis zum letzten Bissen nichts. Er fällt tot um, die Seele steigt auf. So sieht ein würdevoller Tod für meine Nutztiere aus.
Neue Verordnung ab Juni
Laut der eidgenössischen Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle müssen Nutztiere im Schlachthof getötet werden. Nun reagiert der Bund auf politische Vorstösse, wie Mark Stauber vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sagt: «Wir arbeiten am Vorschlag für eine Verordnung, die voraussichtlich im Mai oder Juni 2020 in Kraft treten wird.»
Stimmt der Bundesrat zu, sind künftig zwei Tötungsarten ausserhalb des Schlachthofs erlaubt: Der Weideschuss, wie ihn Müller anwendet – und die Betäubung mittels Bolzenschuss, während das Tier in einem Gatter fixiert ist.
Danach muss das Tier innert 45 Minuten ins Schlachthaus gebracht werden. Aus Hygiene-Gründen darf es nicht auf dem Bauernhof ausgeweidet werden. Darauf hat der Schweizerische Fleisch-Fachverband gepocht. «Hof- und Weidetötung und gewerbliche Metzger müssen gleich lange Spiesse haben. Dann können wir durchaus damit leben», sagt Verbandsdirektor Ruedi Hadorn.
Tierschutz: Lieber Bolzenschuss als Gewehr
Auch Cesare Sciarra vom Schweizerischen Tierschutz hat nichts gegen die generelle Einführung der Hof- und Weide-Tötung: «Wenn man Transporte in einen Schlachthof vermeiden kann, ist das grundsätzlich immer eine gute Sache.»
Er bevorzuge allerdings die Tötung durch Bolzenschuss, sagt Sciarra. Der Abschuss auf der Weide mit dem Jagdgewehr sollte die Ausnahme sein, wegen der Gefahr von Fehlschüssen.
Der Weideschuss sollte die Ausnahme sein – wegen der Gefahr von Fehlschüssen.
Für die Weide-Tötung ist ein Jagdpatent vorgeschrieben. Bauer Müller betont, bei ihm habe es in den sechs Jahren keinen einzigen Fehlschuss gegeben. Er freut sich, dass die neue Praxis bald für alle möglich sein soll. Zurzeit interessierten sich bereits gegen 80 Bauernbetriebe dafür.
Ein «Metzger-Revival»?
Hochwertiges Fleisch werde zwar ein Nischenprodukt sein, sagt Müller: «Aber es könnte ein Metzger-Revival werden, wo man wieder die ganzen Tiere verwertet, die Kutteln putzt, Därme abnimmt und Würste macht. Ich bin überzeugt, dass junge Menschen diesen Beruf wieder lernen. Metzger ist nämlich ein ganz nobler Beruf.»