In der Schweiz hat es Gefängnisplätze für insgesamt 7048 Insassen. Am Stichtag 4. September 2013 waren aber 7072 Personen in Gefängnissen und Justizvollzugsanstalten inhaftiert. Dies geht aus den Zahlen hervor, die das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht hat.
Der Grund ist für Hans-Jürg Käser, Berner Regierungsrat und oberster Polizeidirektor der Schweiz, klar: «Die Landschaft unserer Vollzugsanstalten stammt aus einer Zeit, in der die Schweiz fünf bis fünfeinhalb Millionen Einwohner zählte. Nun hat sie acht Millionen».
Und: «Die Schweiz ist in Europa angekommen». Dies werde klar, wenn man auf die Kriminalstatistik der vergangenen zwei Jahre blickt, so Käser gegenüber «10vor10» weiter. «Die Kriminalität ist in der Schweiz ähnlich wie in den umliegenden europäischen Ländern». Käser fordert deshalb mehr Gefängnisplätze.
Für Benjamin Brägger, Experte für Strafvollzug hingegen sind nicht die Menschen krimineller geworden, sondern die Strafen härter. «Der Wind ist rauher geworden», sagt Brägger. «Politik und Gesellschaft fordern heute, dass man Leute schneller wegsperrt und sie länger in Anstalten behält», so Brägger weiter. Und dies brauche mehr Platz.
Gefängnisse am Limit
Besonders angespannt ist die Lage in den Gefängnissen der lateinischen Schweiz. Laut dem BFS sind Strafanstalten in der Westschweiz und im Tessin zu 115,5 Prozent überbelegt. Konkret fehlen für die insgesamt 2662 Gefangenen 357 Plätze.
In der Nord- und Innerschweiz sind die Gefängnisse ebenfalls voll: Dort kamen auf 2377 Insassen 2381 Betten, demnach waren noch vier frei. In der Ostschweiz sind die Gefängnisse «nur» zu 86,1 Prozent belegt.
Die Kantonsbehörden suchen darum nach zusätzlichen Gefängnisplätzen. Man helfe sich zum Beispiel mit Notmassnahmen, sagt Joe Keel, Sekretär des Strafvollzugskonkordates Ostschweiz zu Radio SRF. So würden etwa Einzelzellen doppelt genutzt oder helfe man sich unter den Kantonen gegenseitig aus. Trotzdem stosse man an Kapazitätsgrenzen.
Mehr Urteile mit Freiheitsstrafen
Ein Grund für die Überbelegung ist, dass mehr Menschen zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Seit 1999 habe die Zahl der Verurteilten um 35 Prozent zugenommen, schreibt das BFS. 2013 wurde in der Schweiz mit 3667 Insassen im Straf- und Massnahmenvollzug ein neuer Rekord erreicht. Die Zahl Inhaftierter stieg, obwohl seit Einführung der neuen Strafprozessordnung im Jahr 2007 die Mehrheit der Sanktionen aus Geldstrafe bestehen.
Von den inhaftierten Personen waren 51 Prozent Verurteilte im Straf- und Massnahmenvollzug. Weitere 30 Prozent befanden sich in Untersuchungshaft, schreibt das BFS weiter. Am Stichtag befanden sich 2104 Personen in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Über die Hälfte der Personen waren Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung, ein Fünftel Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung, 8 Prozent Asylsuchende und 18 Prozent Schweizer.
Mit dem Inkrafttreten der gesamtschweizerischen Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 haben die kurzen Untersuchungshaften zugenommen: 2012 hatten zwei Drittel der Untersuchungshäftlinge eine Haftdauer von 1 bis 2 Tagen. 21 Prozent der Untersuchungshäftlinge verbrachten 3 bis 91 Tage in Haft und 11 Prozent waren über 3 Monate inhaftiert.
Minderjährige weniger im Gefängnis
Bei den Minderjährigen hingegen hat die Zahl der Inhaftierten laufend abgenommen. Gemäss BFS standen im letzten Jahr 575 Minderjährige unter einem «Jugendsanktionsvollzug». 30 von ihnen sitzen im Gefängnis.
Grund für die Abnahme ist, dass die Gerichte bei Jugendlichen weniger Freiheitsstrafen verhängen. Dies gälte nur noch als allerletztes Mittel bei Jugendlichen, sagte Blaise Péquignot, Sekretär des Strafvollzugskonkordats der sieben lateinischen Kantone.
Eine lebenslange Verwahrung
141 Menschen sind in Schweizer Justizvollzugsanstalten und Gefängnissen verwahrt. Im vergangenen Jahr wurde dabei eine lebenslange Verwahrung gemäss der 2008 umgesetzten Verwahrungsinitiative ausgesprochen, wie Daniel Laubscher vom Bundesamt für Statistik sagte.
Bei drei anderen Verurteilten ordnete ein Gericht eine sogenannte ordentliche Verwahrung an. Im Gegensatz zur lebenslangen Verwahrung muss bei der ordentlichen Verwahrung ein Gericht jedes Jahr überprüfen, ob der Verwahrte noch gefährlich ist für die Öffentlichkeit und nicht entlassen werden kann.