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Lange Warteliste in Genf Psychisch Kranke in Hotels statt in Kliniken

Genf fehlt es an geeigneten Plätzen zur Unterbringung von Personen mit psychischen Störungen. Oft leben sie in Hotels. Das weiss man seit einem Suizidversuch im Jahr 2015. Die kantonalen Behörden haben die Zustände nun untersucht.

  • In Genf fehlt es an geeigneten Pflegeplätzen für psychisch kranke Menschen.
  • 160 Personen warten auf eine Unterbringung, weitere 240 leben derzeit in Hotels.
  • 2015 hatte ein junger Patient versucht, sich in einem Hotel das Leben zu nehmen.
  • Die Genfer Behörden präsentierten heute ihren Bericht zu den Zuständen.

In allen Städten steigt die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen. Für Genf liegen nun erstmals die Fakten ungeschönt auf dem Tisch. Demnach warten 160 Personen mit psychischen Störungen darauf, endlich einen bereits zugewiesenen Platz beziehen zu können. Die Hälfte von ihnen wartet schon über zwei Jahre.

Hilfsangebote schiessen laut Bericht am Ziel vorbei

240 Personen wurden einfach in billigen Hotels statt in einer Einrichtung mit Fachpersonal untergebracht. Grund dafür ist nicht etwa Geldmangel: Rund 400 Millionen Franken gibt der Kanton Genf jährlich für seine IV-Rentner aus.

Die Zahlen basieren auf einer Analyse des Genfer Rechnungshofs, einer verwaltungsunabhängigen Kontrollinstanz. Dieser stellt auch fest, dass der Kanton eigentlich gute Hilfsangebote hätte, dass diese Hilfe aber oft am Ziel vorbei schiesse. Stanislas Zuin, Präsident des Rechnungshofs, erklärt, dass der Staat vor allem stationäre Plätze für lange Therapien anbiete. Sinnvoller wären aber flexiblere, kurzfristigere Hilfsangebote. Dies wäre auch im Interesse des Staates, denn ein Klinikplatz sei die kostspieligste Lösung, ist er überzeugt.

Forderungen der Angehörigen-Organisation

Jahrelang hätten die Betroffenen und ihre Angehörigen genau das gepredigt, sagt Jean Dambron, Präsident der Organisation «Le Relais»: Es brauche flexiblere, niederschwellige Angebote, damit Menschen mit psychischen Krankheiten möglichst unabhängig leben und sich in der Gesellschaft zurechtfinden könnten. Aber bisher seien die Angehörigen von der Politik nicht ernst genommen worden.

Gesundheitsdirektor Mauro Poggia stellte sich dieser Kritik. Er erschien als Gast zur Medienkonferenz des Rechnungshofs. «Tatsächlich müssen wir da besser werden», sagte er. Wichtig sei aber, dass die neuen Lösungen keine Ghettos schafften. Menschen mit psychischen Problemen müssten akzeptiert werden.

Betreutes Wohnen soll ausgebaut werden

In dem Punkt müsse die Gesellschaft toleranter werden, so Poggia. Vor seiner Zeit als Regierungsrat habe er als Anwalt mehrmals erlebt, wie Nachbarn forderten, dass jemand mit psychischen Problemen aus einer Wohnung gewiesen werde.

Dabei habe diese Person niemanden bedroht, sie habe bloss sicht- und hörbar gelitten. Nächstes Jahr sollen in Genf 30 neue Plätze für betreutes Wohnen entstehen. Bis das Angebot aber den neuen Bedürfnissen angepasst ist, dauert es noch länger. Die Warteliste bleibt also bestehen. Die Unterbringung in Hotels auch.

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