Sie ist in vielen Gemeinden ein Fixpunkt im Kalender: die Papiersammlung. Mit Handwagen ziehen die Kinder in kleinen Gruppen durchs Quartier. Sie laden die mehr oder weniger sorgfältig geknoteten Papierbündel auf und bringen sie zu einem Sammelplatz.
Aus Sicht mancher Erwachsenen ist die Papiersammlung für die Jugendlichen nicht nur eine Einnahmequelle. Sie ist auch eine Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, einen Dienst an der Gemeinde zu leisten und damit die Verbundenheit mit der Gesellschaft zu stärken.
Weniger Papier an den Strassen
Doch die Papiersammlung durch Schulen oder Vereine befindet sich auf dem Rückzug. So hat zum Beispiel die Aargauer Gemeinde Sins gerade letzte Woche mitgeteilt, dass die Papierbündel am Strassenrand künftig nicht mehr eingesammelt werden. «Das Angebot wird nicht mehr gleich genutzt wie früher», sagt Gemeindeschreiber Marcel Villiger.
Seit gut zehn Jahren betreibt Sins für seine rund 4500 Einwohnerinnen und Einwohner einen eigenen Recyclinghof. Dort kann man neben Glasflaschen und Altöl auch Papier und Karton entsorgen. Im Jahr 2022 haben die Sinserinnen und Sinser fast 90 Prozent der gesamten Papier- und Kartonmenge direkt auf den Recyclinghof gebracht. Nur etwa 10 Prozent stellten sie gebündelt an den Strassenrand.
Die rückläufige Nutzung sei aber nicht der einzige Grund für den Entscheid des Gemeinderats gewesen, künftig auf die Papiersammlung zu verzichten, sagt Gemeindeschreiber Marcel Villiger. «Viele Eltern fanden, dass die Papiersammlung eine gefährliche Arbeit sei. Es gab tatsächlich einige Unfälle, diese haben den Gemeinderat in seinem Entscheid bestärkt.»
Swiss Recycle: «Es gibt einen klaren Trend»
Die Gemeinde Sins ist kein Einzelfall, sagt Patrick Geisselhardt, Geschäftsführer von Swiss Recycle, dem Dachverband der Schweizer Recycling-Organisationen. «Es gibt in der Schweiz einen ganz klaren Trend, weg von den Papiersammlungen durch Schulen oder Vereine.» Die Leute würden es je länger je mehr bevorzugen, ihr Altpapier selbst zur Sammelstelle zu bringen.
Aus Sicht von Patrick Geisselhardt ist es letztlich egal, wie das Papier recycelt wird, solange es recycelt wird. «Allerdings muss man schon bedenken, dass es ökologisch keinerlei Sinn macht, wegen drei Zeitungen mit dem Auto zum Recyclinghof zu fahren», so Geisselhardt. Er beobachte aber eher, dass die Leute mit gefülltem Kofferraum bei den lokalen Recyclinghöfen vorfahren würden.
Papier verteilen statt Papier sammeln
Zurück nach Sins. Hier führt bisher eine Schule gemeinsam mit der örtlichen Jungwacht und der Pfadi die Papiersammlung durch. Für die Schule und die Vereine fällt mit dem Ende der Papiersammlung auch eine Einnahmequelle weg. Laut Gemeindeschreiber Marcel Villiger gibt es aber bereits andere Möglichkeiten für die Vereine, um sich einen Zustupf zu verdienen. «Sie können etwa Broschüren für die Gemeindeversammlung im Siedlungsgebiet verteilen». Also statt es zu sammeln, verteilen die Jugendlichen nun das Papier. Und auch mit der Schule suche man eine Lösung.
Übrigens: Auch punkto Einnahmequelle für Schulen und Vereine gäbe es einen nationalen Trend, sagt Patrick Geisselhardt von Swiss Recycling. «Es gibt immer mehr Anti-Littering-Tage, bei denen Schülerinnen und Schüler helfen können.»
