Im Epidemiengesetz ist klar definiert, ob man für bestimmte Berufsgruppen ein Impfobligatorium einführen darf, zum Beispiel für das Pflegepersonal in Spitälern und Heimen. Ja, man darf! Aber wie steht es um Zugangsbeschränkungen für solche, die sich nicht geimpft haben? Hier sei unklar, ob das zulässig wäre, sagt Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich. Eine rechtliche Klärung fehle bis heute.
In einer akuten Pandemiesituation, wie sie derzeit gegeben ist, hält Rudolph einen Impfnachweis in «besonderen Konstellationen» aber für vertretbar: «Wenn es beispielsweise um eine Dienstleistung geht, wo tatsächlich ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Dritte besteht, ist es meiner Meinung nach zulässig, dass private Unternehmen zur Bedingung machen, dass sie den Vertrag nur schliessen, wenn eine Impfung nachgewiesen wird.»
Berset: «Es kommt darauf an»
Und was meint der Bundesrat? Gesundheitsminister Alain Berset wurde Montag in der Fragestunde des Nationalrates mit dem Thema konfrontiert. Seine Antwort: Es komme darauf an. Es sei zum Beispiel nicht das gleiche, ob eine Diskothek oder ein Lebensmittelgeschäft jemandem den Zugang verweigere.
Und Berset fügt an: «Der Impfstatus darf keine Stigmatisierung zur Folge haben. Die Zulässigkeit von Zugangsbeschränkungen ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, da auch Grundrechte betroffen sein können.»
Was heisst das konkret? Justizministerin Karin Keller-Sutter sagt, die Frage sei tatsächlich offen. Deshalb wolle sie nun Klarheit, erklärt sie gegenüber Radio SRF: «Ich habe diese Frage dem Bundesamt für Justiz zur Abklärung unterbreitet, weil in der Tat gerade in der letzten Zeit grundrechtliche Fragen in diesem Zusammenhang gestellt wurden und der Bundesrat möchte diese juristisch sauber abgeklärt haben.»
Im Parlament gibt es zur Frage der Zugangsbeschränkungen für Nicht-Geimpfte gänzlich unterschiedliche Positionen.
Es ist undenkbar, im nächsten Sommer Schwingfeste, Open Airs oder auch Clubbesuche durchführen zu können mit Abstand und Masken.
CVP-Nationalrätin Ruth Humbel ist dafür, dass man in klar definierten Bereichen ein Immunitätszertifikat verlangen darf, bevor jemand eingelassen wird. Vor allem bei grösseren Veranstaltungen: «Es ist undenkbar, im nächsten Sommer Schwingfeste, Open Airs oder auch Clubbesuche durchführen zu können mit Abstand und Masken.»
Dann könne man nur entscheiden: «Wollen wir im nächsten Sommer wieder alles zulassen oder wollen wir einen Anreiz schaffen, mit einem Immunitätszertifikat den Zugang zu ermöglichen?» Wer nicht geimpft sei, könnte sich etwa mit einem Schnelltest vor Ort Zugang zu einer Veranstaltung verschaffen.
Für SVP-Nationalrat Mauro Tuena hingegen kommt ein Ausschluss von Nicht-Geimpften überhaupt nicht in Frage: «Wenn man anfängt, Leute auszuschliessen von Veranstaltungen oder gar von staatlichen Monopolbetrieben wie der SBB, wenn sie nicht geimpft sind, dann ist klar, das kommt einem Impfzwang gleich. Und das geht nicht!»
Wir wehren uns dagegen, dass jemandem, der sich nicht impfen lässt, soziale Nachteile entstehen.
Auch die Grüne Partei ist dieser Meinung. Die Bundeshausfraktion habe sich vorletzte Woche in einem Positionspapier klar zur Frage geäussert, erklärt Parteipräsident Balthasar Glättli: «Wir wehren uns dagegen, dass jemandem, der sich nicht impfen lässt, soziale Nachteile entstehen.»
Ganz klären könnte die Frage nur das Parlament selber, indem es den Ausschluss für Ungeimpfte im Epidemiengesetz klar verbietet – oder eben klar erlaubt. Je nachdem, welche Mehrheit sich am Schluss durchsetzt.