SRF News: Der Bundesrat führt mit der Europäischen Union Gespräche über eine Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit. Was bedeutet das Brexit-Votum für diese Gespräche?
Martin Schulz: Die Gespräche werden ganz sicher nicht einfacher. Denn die Personenfreizügigkeit spielt natürlich jetzt auch mit Bezug auf die anstehenden Verhandlungen über den Brexit eine grössere Rolle. Wir sind allerdings mit der Schweiz in einem anderen Verfahren. Das Brexit-Verfahren wird dauern. Und mit der Schweiz müssen wir meiner Meinung nach relativ zügig zu Vereinbarungen kommen, die nicht einfach sind.
Ich kann mich nicht zu den Details der Verhandlungen äussern. Aber ich kann nur erklären: Wir müssen zu einem Ergebnis mit der Schweiz kommen, weil wir aufeinander angewiesen sind. Ich glaube, die Schweiz ein bisschen mehr auf die EU als umgekehrt. Wir müssen versuchen, im gegenseitigen Einvernehmen eine Lösung zu finden.
Wie könnte eine zügige Lösung aussehen? Vielleicht eine Übergangslösung?
Die Schweizer Verfassung ist geändert worden, davon kommt man nicht weg, weil das Schweizer Volk so entschieden hat. Aber die Verträge der Europäischen Union können auch nicht geändert werden. Auf den ersten Blick ist die Schweizer Verfassung, so wie sie geändert worden ist, mit den EU-Verträgen nicht kompatibel und vice versa.
Wie löst man dieses Problem? Das ist die Kunst, die wir erreichen müssen. Ob man das über eine Übergangslösung erreichen kann, mit dem Ziel am Ende Verfassung und EU-Verträge wieder kompatibel zu machen, ist zumindest viel Gehirnschmalz wert. Deshalb glaube ich, sollten wir darüber nachdenken.
Eine regionale Schutzklausel als mögliche Lösung ist im Moment das grosse Thema in der Schweiz. Was sagen Sie dazu?
Ich sehe das Problem und die Idee, die auf den ersten Blick vielversprechend klingt. Wir haben auch heute in den Gesprächen mit dem Ständerat darüber diskutiert. Wir brauchen aber eine globale Lösung. Und zwar für die Freizügigkeit im Binnenmarkt der EU und nicht nur bei Grenzregionen.
Deshalb schaut das auf den ersten Blick vielversprechend aus, aber es löst nicht das globale Problem der Freizügigkeit von Dienstleistungen, Kapital und Waren, die garantiert sind, und bei Personen eingeschränkt ist. Da werden wir noch ein bisschen mehr darüber nachdenken müssen.
Also kein regionaler Inländervorrang?
Das ist extrem schwierig. Denn wer verhandelt darüber? Die Schweizer Eidgenossenschaft mit Baden-Württemberg? Mit Österreich oder Vorarlberg? Und da wir ja gerade darüber gesprochen haben, dass wir eine Lösung brauchen, die schnell geht, sind diese Lösungen nicht ganz einfach.
Das Interview führte SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel.
Ständerats-Delegation trifft Martin Schulz
Es hängt an der Personenfreizügigkeit
Eine Delegation des Ständerates hat in Brüssel EU-Parlamentspräsident Martin Schulz getroffen. Thema war die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative im Lichte des Brexits. Ständeratspräsident Raphaël Comte (FDP/NE) zeigte sich nach dem Gespräch zuversichtlich. Klar sei, dass es keine Lösung gebe, die frontal gegen die Personenfreizügigkeit laufe.